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Das Schweigen der Laemmer

Das Schweigen der Laemmer

Titel: Das Schweigen der Laemmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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hochkommen. Starling zog am Griff, bis helle Punkte vor ihren Augen tanzten. Yow kam zu Hilfe, doch brachte seine Tolpatschigkeit zusammen mit dem kleinen, unzulänglichen Türgriff keinen wesentlichen Fortschritt.
    »Vielleicht könnten wir nächste Woche mit meinem Sohn oder mit einigen Handwerkern zurückkommen«, schlug Mr. Yow vor.
    »Ich würde sehr gern bald nach Hause fahren.«
    Starling war sich keineswegs sicher, ob sie je hierher zurück-kehren wollte; es wäre für Crawford weniger umständlich, wenn er einfach den Hörer abnahm und die Außenstelle Baltimore damit fertig werden ließ. »Mr. Yow, ich werde mich beeilen. Haben Sie einen Wagenheber in diesem Auto?«
    Mit dem Wagenheber unter dem Türgriff benutzte Starling ihr Gewicht auf dem Bolzenschraubenschlüssel, der als Wagenhebergriff diente. Die Tür quietschte fürchterlich und schob sich einen Zentimeter hoch. Sie schien sich in der Mitte nach oben zu biegen.
    Die Tür ging einen weiteren Zentimeter hoch und dann noch einen, bis sie den Ersatzreifen darunterschieben konnte, um sie oben zu halten, während sie Mr. Yows und ihren eigenen Wagenheber zu den Seiten der Tür schob und sie dicht bei den Schienen, in denen die Tür verlief, unter den unteren Rand legte.
    Abwechselnd mit den Wagenhebern auf jeder Seite arbeitend bewegte sie die Tür zentimeterweise fast einen halben Meter hoch, bis diese blockierte und sich auch nicht durch Starlings gan- zes Gewicht auf den Wagenhebergriffen weiter hochschieben ließ.
    Mr. Yow kam, um mit ihr unter der Tür durchzuspähen. Er konnte sich jeweils nur einige Sekunden nach vorn beugen.
    »Da drinnen riecht es nach Mäusen«, meinte er. »Man hat mir versichert, daß hier Gift für Nagetiere ausgelegt wird. Ich glaube, es ist im Vertrag festgesetzt. Nagetiere seien nahezu unbekannt, hieß es. Ich höre sie aber, Sie auch?«
    »Ich höre sie«, bestätigte Starling. Mit ihrer Taschenlampe konnte sie Kartons und einen großen Weißwandreifen unter dem Rand eines Tuchüberzugs ausmachen. Der Reifen war platt.
    Sie stieß mit dem Plymouth zurück, bis das Scheinwerferlicht teilweise unter die Tür fiel, und nahm eine der Gummibodenmat-ten heraus.
    »Gehen Sie da hinein, Officer Starling?«
    »Ich muß mich umsehen, Mr. Yow.«
    Er holte sein Taschentuch heraus. »Darf ich vorschlagen, daß Sie sich Ihre Hosenaufschläge eng um die Knöchel binden? Um dem Eindringen von Mäusen vorzubeugen.«
    »Danke, Sir, das ist eine sehr gute Idee. Mr. Yow, sollte die Tür herunterkommen oder sich sonst etwas ereignen, wären Sie dann so freundlich, diese Nummer anzurufen? Es ist unsere Baltimorer Außenstelle. Dort weiß man, daß ich jetzt gerade mit Ihnen hier bin, und man wird sich Sorgen machen, wenn man nicht binnen kurzem von mir hört, verstehen Sie?«
    »Ja, natürlich. Aber ganz gewiß doch.« Er gab ihr den Schlüssel für den Packard.
    Starling plazierte die Gummimatte auf dem nassen Boden vor der Tür und legte sich darauf; ihre Hände umfaßten einen Packen Plastikbeutel für Beweismaterial über dem Objektiv ihrer Kamera, und ihre Aufschläge waren fest mit Yows Taschentuch und ihrem eigenen umwickelt. Sprühregen fiel ihr aufs Gesicht, und der Geruch von Schimmel und Mäusen stach ihr in die Nase. Absurder-weise kam Starling Latein in den Sinn.
    Es war das Motto des römischen Arztes, am ersten Tag ihrer Ausbildung von ihrem Ausbilder in Gerichtsmedizin an die Tafel geschrieben: Primum non nocere. Als erstes keinen Schaden anrich-ten. Er sagte das nicht in einer Garage voller verdammter Mäuse!
    Und auf einmal war da die Stimme ihres Vaters, der mit der Hand auf der Schulter ihres Bruders zu ihr sagte: »Wenn du nicht spielen kannst, ohne zu brüllen, Clarice, dann geh ins Haus zu-rück.«
    Starling machte den Kragenknopf ihrer Bluse zu, zog grimmig die Schultern zum Hals hoch und glitt unter der Tür durch.
    Sie war unter dem Heck des Packards. Er war dicht an der linken Seite der Lagereinheit geparkt und berührte fast die Wand.
    Pappkartons waren hoch auf der rechten Seite des Raums aufgestapelt und füllten den Platz neben dem Wagen. Starling schlängelte sich auf dem Rücken entlang, bis ihr Kopf in der engen Lücke zwischen dem Wagen und den Kartons freikam. Viele Spinnen hatten den engen Raum mit ihren Netzen überspannt. Größtenteils Weberknechte, deren Netze mit kleinen zusammenge-schrumpften, fest umwickelten Kadavern übersät waren.
    Nun, man braucht sich einzig wegen einer braunen

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