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Das Schweigen der Laemmer

Das Schweigen der Laemmer

Titel: Das Schweigen der Laemmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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Alkohol, der ihn konservierte, milchig ausgebrannt. Der Mund stand offen, und die Zunge, sehr grau, ragte ganz leicht heraus. Die Jahre hindurch war der Alkohol bis zu dem Punkt verdunstet, wo der Kopf auf dem Boden des Glases ruhte und sein Schädel durch die Oberfläche der Flüssigkeit in einer Kappe der Verwesung hervorragte.
    In einem eulenhaften Winkel zum Körper darunter gedreht, glotzte er Starling stupide an. Selbst im Spiel des Lichts über den Zügen blieb er dumm und tot.
    In diesem Moment prüfte Starling sich. Sie war zufrieden. Sie war erheitert. Sie überlegte eine Sekunde lang, ob dies achtbare Gefühle seien. Nun, in diesem Moment, in dem sie mit einem Kopf und einigen Mäusen in diesem alten Wagen saß, konnte sie klar denken, und darauf war sie stolz.
    »Na, Toto«, sagte sie, »wir sind nicht mehr in Kansas.« Das hatte sie immer unter Streß sagen wollen, doch es zu tun, hinterließ ein Gefühl der Verlogenheit in ihr, und sie war froh, daß keiner es gehört hatte. Es gab Arbeit zu tun.
    Vorsichtig setzte sie sich zurück und sah sich um.
    Dies war die gewählte und geschaffene Umgebung von jemandem, der tausend Lichtjahre jenseits des Verstands und von dem die Route 301 entlangkriechenden Verkehr entfernt gewesen war.
    Getrocknete Blüten hingen schlaff von den Knospenvasen aus geschliffenem Kristall an den Pfeilern herab. Der Tisch der Limousine war heruntergeklappt und mit einer Leinendecke bedeckt.
    Darauf schimmerte durch Staub eine Karaffe. Zwischen der Karaffe und dem kurzen Kerzenleuchter daneben hatte eine Spinne gebaut.
    Sie versuchte sich Lecter oder sonst irgend jemanden vorzustellen, wie er mit ihrem gegenwärtigen Gefährten hier saß und einen Drink nahm und ihm die Valentinsbilder zu zeigen versuchte.
    Und was sonst noch? Vorsichtig arbeitend, die Gestalt so wenig wie möglich berührend, durchsuchte sie sie nach einer Identifizie -
    rungsmöglichkeit. Es gab keine. In einer Jackentasche fand sie die vom Regulieren der Hosenlänge übriggebliebenen Stoffbänder -
    die Gesellschaftskleidung war wahrscheinlich neu, als die Gestalt angezogen wurde.
    Starling stieß die Schwellung in den Hosen an. Zu hart, selbst für die High School, überlegte sie. Mit den Fingern zog sie den Ho-senschlitz auseinander und leuchtete mit ihrer Taschenlampe hinein, auf einen Penis aus poliertem Holz mit Einlegearbeit. Dazu noch von guter Größe. Sie fragte sich, ob sie verdorben sei.
    Sorgfältig drehte sie das Glas und untersuchte die Seiten des Kopfes und den Hinterkopf auf Wunden. Es gab keine sichtbaren.
    Der Name einer Firma für Laborbedarf war in das Glas eingeprägt.
    Erneut das Gesicht betrachtend, glaubte sie, daß sie etwas erfuhr, was ihr nutzen würde. Absichtlich dieses Gesicht anzuschauen, mit seiner Zunge, die dort die Farbe wechselte, wo sie das Glas berührte, war nicht so schlimm wie Miggs, der in ihren Träumen seine Zunge verschluckte. Sie hatte das Gefühl, als könne sie sich alles anschauen, wenn sie etwas Positives damit an- fangen konnte. Starling war jung.
    In den zehn Sekunden, nachdem ihre fahrbare Nachrichtenein-heit vom WPIK-TV schleudernd zum Stehen kam, zog Jonetta Johnson ihre Ohrringe an, puderte sich das hübsche braune Gesicht und kundschaftete die Lage aus. Sie und ihr Nachrichtenteam, das den Polizeifunk von Baltimore County abhörte, waren vor den Streifenwagen bei Split City angekommen.
    Das einzige, was das Nachrichtenteam im Scheinwerferlicht sah, war Clarice Starling, die mit ihrer Taschenlampe und ihrem kleinen laminierten Ausweis vor der Garagentür stand, das Haar vom Nieselregen an den Kopf geklebt.
    Einen Neuling konnte Jonetta Johnson allemal ausmachen. Sie stieg mit dem Kamerateam hinter sich aus und näherte sich Starling. Die hellen Lichter gingen an.
    Mr. Yow sank so weit in seinem Buick hinunter, daß nur sein Hut über dem Fensterrahmen sichtbar war.
    »Jonetta Johnson, WPIK-Nachrichten, haben Sie einen Mord gemeldet?«
    Starling sah nicht sehr nach Gesetz aus, und das wußte sie. »Ich bin FBI-Beamtin, dies ist ein Tatort. Ich muß ihn absichern, bis die Baltimorer Behörden -«
    Der Assistenzkameramann hatte den unteren Rand der Garagentür gepackt und versuchte gerade, sie hochzuschieben.
    »Halt«, sagte Starling. »Ich rede mit Ihnen, Sir. Halt. Zurück da, bitte. Ich mache keine Scherze mit Ihnen. Gehen Sie mir mal zur Hand.« Sie verspürte den starken Wunsch nach einem Abzeichen, einer Uniform, irgend etwas.
    »Okay, Harry«, sagte die

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