Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schweigen der Laemmer

Das Schweigen der Laemmer

Titel: Das Schweigen der Laemmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
Vom Netzwerk:
und hundertdreißigtausend Schwärmer, d.h. Nachtfalter. Ich würde es gern aus der Chrysalis herausnehmen - das werde ich tun müssen, wenn wir es eingrenzen wollen.«
    »Na gut. Können Sie es machen, ohne daß es zerfällt?«
    »Ich denke schon. Schauen Sie, dieses hat aus eigener Kraft damit angefangen, bevor es gestorben ist. Genau hier hat es einen unregelmäßigen Bruch in der Chrysalis bewirkt. Dies mag ein Weilchen dauern.«
    Pilcher vergrößerte den natürlichen Riß in der Hülle und löste das Insekt heraus. Die zusammengefalteten Flügel waren durchnäßt. Sie auszubreiten kam dem Arbeiten mit einem nassen, fest zusammengerollten Gesichtsreinigungstuch gleich. Es war kein Muster sichtbar.
    Roden war mit den Büchern zurück.
    »Fertig?« sagte Pilcher. »Okay, die Prothorakalfemur ist ver- deckt.«
    »Was ist mit Pilifern?«
    »Keine Pilifer«, sagte Pilcher. »Würden Sie das Licht ausschalten, Officer Starling?«
    Sie wartete am Wandschalter, bis Pilchers kleine Stablampe brannte. Er trat vom Tisch zurück und leuchtete damit auf das Exemplar. Die Augen des Insekts glühten im Dunkeln und reflek-tierten den dünnen Strahl.
    »Eule«, meinte Roden.
    »Wahrscheinlich, aber welche?« sagte Pilcher. »Bitte Licht. Es gehört zu den Noctuidae, Officer Starling - zu den Nachtfaltern. Wie viele Noctuidae gibt es, Roden?«
    »Zweitausendsechshundert und... ungefähr zweitausend-zweihundert sind beschrieben worden.«
    »Allerdings sind nicht viele so groß. Okay, dann zeig mal, wie du brillierst, mein Guter.«
    Rodens drahtiges rotes Haar bedeckte das Mikroskop.
    »Wir müssen nun zur Chaetaxie übergehen - dem Untersuchen der Haut des Insekts, um es auf eine einzige Spezies einzugrenzen«, sagte Pilcher. »Roden ist darin der Beste.«
    Starling hatte das Gefühl, daß Liebenswürdigkeit den Raum durchzog.
    Roden reagierte darauf, indem er ein hitziges Wortgefecht mit Pilcher darüber begann, ob die Larvenwarzen des Exemplars in Kreisen angeordnet seien oder nicht. Es ging temperamentvoll weiter über die Anordnung der Haare auf dem Abdomen.
    »Erebus odora«, sagte Roden schließlich.
    »Gehen wir nachsehen«, sagte Pilcher.
    Sie nahmen das Exemplar mit sich, im Fahrstuhl hinunter bis zu dem Geschoß direkt über dem großen ausgestopften Elefanten und nach hinten zu einem riesengroßen, mit blaßgrünen Kästen angefüllen Areal. Was früher eine große Halle gewesen war, war auf zwei Ebenen mit Decks aufgeteilt worden, um weiteren Lagerraum für die Insekten des Smithsonian zu schaffen. Sie waren nun in der Neotropischen Abteilung und auf dem Weg zu den Noctuidae. Pilcher konsultierte seinen Notizblock und blieb bei einem Kasten in Brusthöhe im großen Wandregal stehen. »Mit diesen Dingen muß man vorsichtig sein«, sagte er, schob die schwere Metalltür hoch und setzte sie auf dem Boden ab.
    »Lassen Sie eine auf Ihren Fuß fallen, humpeln Sie wochen-lang.«
    Er fuhr mit dem Finger an den gestapelten Schubladen herunter, wählte eine aus und zog sie auf.
    Auf dem Tablett sah Starling die winzigen konservierten Eier, die Raupe in einem Glasröhrchen mit Alkohol, einen Kokon, von einem Exemplar abgezogenen, der ihrem sehr ähnlich war, und das ausgewachsene Insekt - ein großer braunschwarzer Nachtfalter mit einer Flügelspanne von fast sechzehn Zentimetern, einem pelzigen Körper und dünnen Fühlern.
    »Erebus odora«, sagte Pilcher. »Der Schwarzhexenschwärmer.«
    Roden blätterte bereits Seiten um. »›Eine tropische Spezies, die sich im Herbst manchmal bis nach Kanada hoch verirrt‹«, las er.
    ›»Die Larven fressen Akazien, Drazänen und ähnliche Pflanzen.
    Einheimisch in den Westindischen Inseln, in den Südstaaten der USA, gilt in Hawaii als Ungeziefern«
    Fickola, dachte Starling. »Bekloppt«, sagte sie laut. »Es gibt sie überall.«
    »Es gibt sie aber nicht die ganze Zeit überall.« Pilchers Kopf war gesenkt. Er zupfte sich am Kinn. »Sind sie Doppelbrüter, Roden?«
    »Sekunde... yeah, im äußersten Südflorida und in Südtexas.«
    »Wann?«
    »Mai und August.«
    »Ich hab' nur gerade überlegt«, sagte Pilcher. »Ihr Exemplar ist ein bißchen besser entwickelt als das, das wir haben, und es ist frisch. Es hatte angefangen, seinen Kokon zu zerbrechen, um herauszukommen. In den Westindischen Inseln oder in Hawaii, vielleicht, da könnte ich das verstehen, aber hier ist es Winter. In diesem Land würde es mit dem Herauskommen drei Monate warten.
    Es sei denn, es ist zufällig in einem

Weitere Kostenlose Bücher