Das Schweigen der Laemmer
würde sie den Zweifel in seinem Gesicht nie verzeihen. Nie.
»Sie haben's nicht anders gewollt«, sagte Starling. Sie reichte ihm den Umschlag.
Krendler schaute hinein, sah das erste Bild und hatte die Klappe wieder eingesteckt, als Senatorin Martin ihm den Umschlag aus den Händen nahm.
Es schmerzte, ihr beim Betrachten der Fotos zuzuschauen. Als sie fertig war, ging sie zum Fenster und stand mit dem Gesicht zum bewölkten Himmel hochgereckt da, die Augen geschlossen.
Im Tageslicht sah sie alt aus, und ihre Hand zitterte, als sie zu rauchen versuchte.
»Senatorin, ich -«, begann Krendler.
»Die Polizei hat diesen Raum durchsucht«, sagte Senatorin Martin. »Ich bin sicher, sie haben diese Bilder gefunden und Verstand genug gehabt, sie wieder zurückzulegen und den Mund zu halten.«
»Nein, das haben sie nicht«, sagte Starling. Die Frau war verletzt, aber zum Teufel. »Mrs. Martin, wir müssen wissen, wer die -
ser Mann ist, das können Sie verstehen. Wenn es der Freund ist, schön. Das kann ich in fünf Minuten feststellen. Niemand sonst braucht die Bilder zu sehen, und Catherine braucht es nie zu erfahren.«
»Ich werde mich darum kümmern.« Senatorin Martin steckte den Umschlag in ihre Handtasche, und Krendler ließ sie gewähren.
»Senatorin, haben Sie die Schmuckstücke aus dem Gummikohl in der Küche genommen?« fragte Starling.
Senatorin Martins Berater, Brian Gossage, steckte den Kopf durch die Tür. »Entschuldigen Sie, Senatorin, sie haben den Terminal aufgestellt. Wir können zusehen, wie sie beim FBI nach dem Namen William Rubin suchen.«
»Gehen Sie vor, Senatorin Martin«, sagte Krendler. »Ich komme in einer Sekunde nach.«
Ruth Martin verließ das Zimmer, ohne Starlings Frage zu beantworten.
Starling hatte die Gelegenheit, Krendler zu mustern, als er die Schlafzimmertür zumachte. Sein Anzug mit einzelnem Nadel-streifen war ein Triumph der Maßschneiderei, und er war unbe-waffnet. Der Glanz vom unteren Zentimeter seiner Absätze war durch das Gehen auf viel tieferem Teppich wegpoliert worden, und die Kanten der Absätze waren scharf.
Den Kopf gesenkt, stand er einen Augenblick mit den Händen auf dem Türknauf da.
»Das war eine gute Suche«, sagte er, als er sich umdrehte.
So billig konnte man Starling nicht haben. Sie sah ihn ebenfalls an.
»In Quantico bringen sie gute Wühlmäuse hervor«, sagte Krendler.
»Sie bringen keine Diebe hervor.«
»Das weiß ich«, entgegnete er.
»Schwer zu sagen.«
»Lassen Sie's gut sein.«
»Wir gehen den Bildern und dem Gummikohl nach, richtig?« sagte sie.
»Ja.«
»Was ist mit dem Namen ›William Rubin‹, Mr. Krendler?«
»Lecter behauptet, das sei Buffalo Bills Name. Hier ist unsere Übermittlung an den Erkennungsdienst und an den NCIC, den National Crime Information Computer. Schauen Sie sich das an.« Er gab ihr eine Abschrift des Lecter-Interviews mit Senatorin Martin, eine unscharfe Kopie von einem Punktmatrizendrucker.
»Irgendwelche Überlegungen?« fragte er, als sie mit Lesen fertig war.
»Hier steht nichts, wofür er je die Verantwortung tragen müßte«, sagte Starling. »Er sagt, es sei ein Weißer namens Billy Rubin, der Elefantenelfenbeinanthrakose gehabt hat. Sie könnten ihn hier nicht bei einer Lüge ertappen, ganz gleich, was passiert. Schlimmstenfalls hätte er sich einfach geirrt. Hoffentlich stimmt das. Er könnte aber seinen Spaß mit ihr haben, Mr.
Krendler, dazu ist er ohne weiteres fähig. Haben Sie ihn je...
kennengelernt?«
Krendler schüttelte den Kopf und schnaubte Luft aus der Nase.
»Dr. Lecter hat neun Menschen umgebracht, soweit uns bekannt ist. Er bleibt im Gefängnis, egal, was - er könnte die Toten zum Leben erwecken, und man würde ihn nicht freilassen. Als einziges bleibt ihm somit Spaß. Aus dem Grund haben wir seine Schwäche ausgenutzt -«
»Ich weiß, wie Sie ihn ausgenutzt haben. Ich habe Chiltons Tonband gehört. Ich behaupte nicht, daß es falsch war - ich sage nur, es ist vorbei. Die Abteilung für Verhaltensforschung kann dem nachgehen, was Sie haben - dem transsexuellen Aspekt -, um festzustellen, was es wert ist. Und Sie werden morgen wieder in der Schule in Quantico sein.«
O Mann. »Ich hab' noch etwas anderes gefunden.«
Das Blatt koloriertes Papier hatte unbemerkt auf dem Bett gele -
gen. Sie gab es ihm.
»Was ist das?«
»Sieht aus wie ein Blatt mit Plutos.« Sie ließ ihn den Rest fragen.
Mit der Hand winkend erbat er die Information.
»Ich bin mir ziemlich
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