Das Schweigen der Laemmer
herum. Lohnt sich, da nachzuhaken.
»Gehören Sie zum Justizminister?«
»Nein, zum FBI.«
»Der Justizminister ist im Anrollen. Das hab' ich jedenfalls beim Ausrücken gehört. Wie lang sind Sie schon beim FBI?«
Starling sah den jungen Polizisten an.
»Officer, ich sag’ Ihnen mal was. Ich werde Sie wahrscheinlich ein paar Dinge fragen müssen, wenn ich mich hier umgesehen habe. Vielleicht könnten Sie mir dann aushelfen.«
»Klar. Wenn ich kann -«
»Gut, okay. Warten wir und sprechen wir dann. Ich muß jetzt über dies hier nachdenken.«
»Na, kein Problem.«
Das Schlafzimmer war hell, von einer sonnigen, verträumten Art, die Starling gefiel. Es war mit besseren Stoffen und besserer Einrichtung ausgestattet, als die meisten jungen Frauen sich lei-sten konnten. Es gab ebnen Koromandelwandschirm, zwei Cloi-sonneobjekte auf den Regalen und einen guten Sekretär aus knoti-gem Walnußholz. Doppelbett. Starling hob den Rand der Tages-decke hoch. Am linken Bett waren Rollen angebracht, nicht aber am rechten. Catherine muß sie wohl zusammenschieben, wenn es ihr paßt. Hat vielleicht einen Liebhaber, von dem der Freund nichts weiß. Oder vielleicht bleiben sie manchmal über Nacht hier. An ihrem Anrufbeantworter gibt es keinen Fernsignalgeber. Sie muß unter Umständen hier sein, wenn ihre Mutter anruft.
Der Anrufbeantworter war wie ihr eigener, der normale Phone-Mate. Sie öffnete die obere Platte. Die beiden Kassetten für ankommende und abgehende Anrufe waren weg. An ihrer Stelle war ein Zettel: KASSETTEN TBI-BESITZ NR. 6.
Das Zimmer war einigermaßen aufgeräumt, hatte aber das Aussehen leichter, von Ermittlern mit großen Händen hinterlassener Unordnung, Männern, die versuchen, Dinge genau an ihren Platz zurückzustellen, es aber knapp verfehlen. Selbst ohne die Spuren von Fingerabdruckpulver auf allen glatten Oberflä -
chen hätte Starling gewußt, daß man die Wohnung durchsucht hatte.
Starling glaubte nicht, daß irgendein Teil des Verbrechens sich im Schlafzimmer abgespielt hatte. Crawford hatte vermutlich recht, Catherine war auf dem Parkplatz geschnappt worden.
Starling wollte sie jedoch kennenlernen, und hier lebte sie. Lebt, verbesserte Starling sich. Hier lebt sie.
Im Fach des Nachttischs waren ein Telefonbuch, Reinigungstücher, eine Schachtel mit Pflegepräparaten und hinter dieser eine Polaroid SX-70 mit einem Selbstauslöser und einem darunter zusammengeklappten kurzen Stativ. Hmmmm. Aufmerksam wie eine Eidechse sah Starling die Kamera an. Sie blinzelte, wie eine Eidechse blinzelt, und faßte sie nicht an.
Der Wandschrank interessierte Starling am meisten. Catherine Baker Martin, Wäschezeichen C-B-M, hatte eine Menge Kleider, und einige davon waren sehr gut. Starling erkannte viele der Eti-ketten einschließlich Garfinkers und Britches in Washington. Geschenke von Mommy, sagte Starling sich. Catherine hatte schöne, klassische Kleider in zwei Größen, die so geschneidert waren, daß sie ihr zwischen 65 und 75 Kilo paßten, vermutete Starling, und es gab ein paar Hosen für extradicke Zeiten und Pullover aus dem Statuesque Shop, der Boutique für Übergrößen. In einem Hängeregal standen dreiundzwanzig Paar Schuhe. Sieben Paar waren Ferragamos in Größe 42, und einige waren Reeboks und leichte Slipper. Auf dem obersten Regal lagen ein leichter Ruck-sack und ein Tennisschläger. Die Habseligkeiten eines privilegierten Kids, einer Studentin und Lehramtsanwärterin, die besser lebte als die meisten.
Viele Briefe im Sekretär. Verschlungene Notizen in nach links geneigter Handschrift von früheren Klassenkameraden an der Ostküste. Briefmarken, gummierte Adressenaufkle ber. Ge-schenkpapier in der untersten Schublade, ein Bündel in verschie -
denen Farben und Mustern. Starlings Finger blätterten es durch.
Sie dachte daran, die Angestellten im örtlichen Drive-in-Markt zu befragen, als ihre Finger auf einen Bogen im Bündel Geschenkpa-pier stießen, der zu dick und steif war. Ihre Finger strichen daran vorbei, kamen zu ihm zurück. Sie war dazu ausgebildet, Abwei-chungen von der Norm zu registrieren, und sie hatte ihn halb her-ausgezogen, als sie ihn anschaute. Der Bogen war blau, aus einem leichten Löschpapier ähnlichen Materials, und das aufgedruckte Muster war eine grobe Imitation des Comic -Hunds Pluto. Die kleinen Reihen von Hunden sahen alle wie Pluto aus, sie hatten das richtige Gelb, aber in ihren Proportionen stimmten sie nicht ganz.
»Catherine, Catherine«, sagte
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