Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)
Kleid. Ich habe es schon einmal gesehen. Ist es nicht eins von denen, die ich dir für deine Aussteuer empfohlen habe?«
»Das glaube ich nicht.« Judith stieß ein verkrampftes Lachen aus. »Aber ich trage schon so lange Trauer, dass ich mich an meine früheren Kleider nicht mehr erinnern kann. Auf jeden Fall bezweifle ich, dass ich nach der Geburt eines Kindes jemals wieder in eins davon hineinpassen werde.«
»Versuche, weniger zu essen«, riet Mrs Howe. »Das dient der Sparsamkeit hinsichtlich der Nahrung und auch der Bekleidung.«
Judiths Lächeln gefror. »Sehr freundlich von Ihnen, Madam, mir Ihren Rat zu geben, aber warum machen Sie sich darüber Sorgen? Meine Kleidung und die Nahrung für mich und meine Kinder wird ja nicht von Ihrem Geld bezahlt.«
Die ältere Frau erstarrte. »Wenn du gern bei mir leben möchtest, Judith, bist du herzlich willkommen. Mit entsprechender Sparsamkeit könnten wir gut zurechtkommen, wenn jede von uns Näharbeiten übernehmen würde.«
»Nein, danke, Madam. Die Kinder und ich, wir fühlen uns hier sehr wohl.«
»Ich frage mich, wie lange das noch so sein wird?« Dies kam von der jüngeren Dame, Judiths Mutter.
»Was meinst du damit?«
»Lord Bradley ist nicht mehr so jung, mein Mädchen. Wenn er heiratet, wird es der neuen Herrin des Hauses vielleicht nicht so gut gefallen, das Haus ihres Mannes, sein Geld und … seine Aufmerksamkeit … mit dir zu teilen.«
Mrs Howe verfolgte das vorherige Thema weiter, als sie einwarf: »Die liebe Jeanette, Gott hab sie selig, trug direkt wieder ihre Mädchenkleider, nachdem Audrey auf der Welt war.«
»Wie schön für sie«, antwortete Judith mit gekünstelter Herzlichkeit.
Mrs Bradley, so elegant und attraktiv, wie es ihre Tochter zweifellos auch bleiben würde, betrachtete Olivia mit kühlem Blick. »Miss Keene ist der Name, ja? Von wo kommen Sie? Kenne ich Ihre Familie?«
»Das glaube ich nicht, Madam. Ich komme von Withington.«
»Ich kenne keine Keenes. Hat Ihre Familie irgendwelche nennenswerten Verbindungen?«
»Ich bin mir nicht sicher.«
»Und Ihr Vater … was für eine Art Gentleman ist er?«
Olivia hob das Kinn. »Er ist überhaupt kein Gentleman. Er arbeitet als Buchhalter auf einem Anwesen.«
»Ein Buchhalter? Wirklich, Judith, wo hast du diese Frau aufgegabelt? Warum hieltest du sie für geeignet?«
»Sie hat eine sehr gute Schule besucht, Mama. Sie kann Französisch und Italienisch lesen und schreiben und noch eine Menge mehr.«
»Tatsächlich?«
»Ja, Madam«, antwortete Olivia selbst. »Ich war auf Miss Cresswells Mädchenschule. Und anschließend war Miss Cresswell so freundlich, mich zu ihrer Assistentin zu machen.«
»Ich habe noch nie von einer Miss Cresswell gehört«, murmelte Judiths Schwiegermutter und zog einen losen Faden aus ihrem Ärmel.
»Und Ihre Mutter, Miss Keene?«, fragte Mrs Bradley. »Vermutlich dürfen wir nicht darauf hoffen, dass sie von vornehmer Herkunft ist?«
»Das ist sie in der Tat«, erklang die Stimme des Earls von der Tür her. Die Frauen zuckten zusammen. »Vergeben Sie mir, meine Damen, aber ich konnte nicht umhin, Ihr … Gespräch mit Miss Keene mit anzuhören.«
»Lord Brightwell!«, rief seine Schwägerin aus. »Wir hatten nicht die Absicht, Ihre Ruhe zu stören.«
»Tatsächlich stören Sie meine Ruhe, wenn Sie Miss Keenes Eignung infrage stellen. Sie ist nicht nur außerordentlich klug und gebildet, sondern ihre Mutter stammt auch von den Hawthorns in Cirencester ab, mit denen Sie, glaube ich, etwas bekannt sind.«
»Von den Hawthorns?«, erwiderte Judiths Schwiegermutter. »Also, diese Familie haben wir schon seit Jahren nicht mehr gesehen, nicht seit Thomas Hawthorn starb und seine Frau mit ihren Töchtern wegzog.«
»Hatten Ihre Schwestern nicht eine Gouvernante mit Namen Hawthorn?«, fragte Mrs Bradley den Earl.
»Das stimmt, Madam. Dorothea Hawthorn ist die Mutter von Miss Keene und sie war die beste Gouvernante, die mir je begegnet ist.«
Seine Schwägerin zog die Stirn kraus. »Ich meine, mich im Zusammenhang mit dieser Gouvernante an etwas zu erinnern. Was war das nur? Sie ging weg, ohne zu kündigen, glaube ich. Aber da war noch etwas …«
Der warnende Blick des Earls stand im Widerspruch zu seiner höflichen Antwort. »Was für ein gutes Gedächtnis Sie haben, Mrs Bradley.«
»Ach, denken Sie nur, ich erinnere mich auch an etwas, das diese Familie betrifft«, sagte Judiths Schwiegermutter und richtete den Blick auf das mit Kuchen und
Weitere Kostenlose Bücher