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Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Titel: Das Schweigen der Miss Keene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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das erste Mal, dass das passiert war.
    Edward konnte nicht widerstehen. Er durchquerte das Zimmer, bis er bei ihnen war, verbeugte sich und fragte förmlich: »Darf ich einspringen?«
    Mit einem Schrei der Erleichterung sprang Andrew vom Stuhl, rannte los, um Anlauf zu holen, und schlitterte mit seinen bestrumpften Füßen einige Meter über den polierten Boden.
    Kopfschüttelnd wandte Edward den Blick zu Miss Keene zurück und stellte fest, dass sie seine dargebotene Hand zweifelnd betrachtete.
    Sie erklärte: »Ich habe nur versucht, die neun Figuren des deutschen und französischen Walzers zu zeigen.«
    »Das habe ich gesehen. Sollen wir weitermachen?«
    »Sie brauchen nicht … Ich meine, bestimmt ist Mylord viel zu beschäftigt –«
    »Keineswegs. Es kommt alles den Kindern zugute, nicht wahr? Ihrer Bildung?«
    Sie öffnete den Mund, um noch einmal zu widersprechen, aber bevor sie das konnte, bat Audrey: »Zeig uns Figur vier, Cousin Edward. Denn weder Andrew noch ich beherrschen sie.«
    Edward fragte sich, ob Audrey Howe genau so viele romantische Vorstellungen hegte wie ihre Stiefmutter. Aber er beschwerte sich nicht.
    »Du machst das gut, Audrey«, sagte Miss Keene. »Es war schwer ohne einen richtigen Partner. Ich bin nicht so gut darin, der Mann zu sein.«
    Edward zog die Brauen in die Höhe.
    »Bitte«, flehte Audrey ihre Gouvernante an.
    Miss Keene seufzte noch einmal. »Na gut. Ich werde dich vertreten, Audrey.« Sie wandte sich Edward zu. »Und Sie werden der Mann sein.«
    Er erwiderte trocken: »Ich werde mir große Mühe geben.«
    Edward hob seinen linken Arm über seinen Kopf, und zögernd tat sie es ihm nach. Er nahm ihre erhobene Hand in seine, sodass ein Bogen über ihnen entstand.
    »Figur vier verlangt, soweit ich weiß, dass die Frau ihre Hand an die Taille des Mannes legt. Und der Mann – das bin ich – legt seine Hand an ihre Taille. Ist das richtig?«
    Sie schluckte. »Ja.«
    Edward genoss es, seinen Arm um sie zu legen und sie nah an sich heranzuziehen. Er betrachtete sie unter dem Bogen ihrer erhobenen Hände und bemerkte, dass ihr Gesicht gerötet und abgewandt war. »So dicht beieinander zu stehen und den eigenen Partner trotzdem zu ignorieren – das geht doch nicht, Miss Keene.«
    Sie versuchte, seinen Blick zu erwidern, war aber offensichtlich zu befangen.
    Audrey stürmte ans Klavier und rief: »Ich werde spielen und ihr beide tanzt! Ganz bestimmt werde ich die Figuren begreifen, wenn ich sehe, wie sie ausgeführt werden.«
    Kleine Intrigantin , dachte Edward und spürte eine große Zuneigung für seine kleine Cousine.
    Audrey begann, ein Stück im Dreivierteltakt herunterzu ^klimpern, dem die vom Komponisten beabsichtigte vornehme Würde völlig fehlte.
    Miss Keene warf ihm einen bedauernden Blick zu. »Sie müssen nicht. Ich –«
    »Unsinn.« Er legte beide Hände an ihre schmale Taille – Figur sieben oder acht? Es war ihm egal, er wollte sie nur an sich drücken – und setzte sich mit ihr in Bewegung, bevor sie etwas einwenden konnte.
    Sie fasste ihn an den Oberarmen und klammerte sich daran fest, während er sie durch den Raum wirbelte. Er manövrierte sie neben sich – Figur fünf? – und beschrieb mit ihr zusammen einen schwungvollen Kreis, dann hob er einen Arm und drehte sie darunter hindurch, gerade, als Audrey die letzten Töne anschlug.
    Ihre Hand immer noch in seiner, verbeugte er sich vor ihr und der Raum schien sich leicht zu drehen. Sie wollte wohl einen Knicks machen, doch stattdessen schwankte sie. Er fasste sie an beiden Ellbogen, um ihr Halt zu geben. Ihr Gesicht hatte Farbe bekommen und einige ihrer dunklen Locken hatten sich gelöst. Wie begehrenswert sie war! Dass ihre Körper so nah beieinander waren und sich berührten, verstärkte das Gefühl noch. Als er so dicht vor ihr stand, sein Gesicht zu ihr heruntergebeugt, spürte er das dringende Bedürfnis, sie zu küssen. Natürlich durfte er das nicht tun. Würde es nicht tun.
    »Geht es Ihnen gut?«, fragte er leise.
    »Abgesehen von Atemlosigkeit, Schwindelgefühl und Verlegenheit?«
    Er nickte.
    »Wunderbar.«
    Er lachte leise in sich hinein und ließ seinen Blick über ihre Züge schweifen – die strahlend blauen Augen und leicht geöffneten Lippen, das schnelle Heben und Senken der Brust. Er nahm jede Einzelheit in sich auf, aber nicht mit der Distanziertheit, die Dr. Sutton vielleicht an den Tag gelegt hätte. Er hob ihre Hand, die immer noch in seiner lag. Sie trug keine Handschuhe und er fühlte

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