Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)
Aber da er beabsichtigt, in aller Stille zu leben, fernab von der Londoner Gesellschaft, glaube ich nicht, dass ihn die Folgen besonders hart treffen werden.
Nachdem ich nicht mehr da bin, werden du und die Anwälte diesen Beweis vor den Lordkanzler bringen.« Er legte seinen Arm um Felix' Schultern und sagte in vertraulichem Ton. »Du hast zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen echten Beweis, mein Junge. Außer einer senilen alten Frau, die uns niemals an Fremde verraten würde, selbst wenn sie lang genug leben würde, um das zu tun.« Er nahm seinen Arm wieder weg und fuhr im besten Parlamentstonfall fort: »Das Committee for Privileges wird den Fall untersuchen und wird, da bin ich mir völlig sicher, deinen Anspruch auf die Adelswürde anerkennen.« Er warf Felix einen scharfen Blick zu. »Denk daran, das setzt die Abwesenheit eines gesetzlichen Erben voraus. Wenn ich wieder heirate und einen Sohn habe, dann würden ein solches Testament und ein solches Geständnis ihn trotzdem in die Lage versetzen, dass er der Erbe ist. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
In Felix' Augen funkelte eine Ahnung auf. »Hast du eine bestimmte Dame im Sinn, Onkel?«
»Ach, das ist meine Sache, nicht wahr? Also. Wenn du zustimmst – und deine Mutter und deine Schwester ebenfalls –, ruhig mit dieser Sache umzugehen und einen Skandal zu vermeiden, dann werde ich dir weiterhin eine großzügige Zuwendung zahlen. Sie wird dir erlauben, das Leben eines Gentleman zu führen, so wie du es dir wünschst, und die Hand beliebig vieler Damen der besseren Gesellschaft zu gewinnen.« Er stellte sich vor seinen Neffen und sah ihm direkt in die Augen. »Wenn du nicht einverstanden bist und es zu einem Skandal kommt, dann wirst du bis nach meinem Tod und dem darauf folgenden gerichtlichen Fall keinen Schilling von mir erhalten. Stimmst du zu oder nicht?«
Felix schluckte erneut. »Ich stimme zu.«
Lord Brightwell nickte anerkennend.
»Fein. Und jetzt: Es kann gut sein, dass ich mich wieder verheirate, aber in meinem Alter kann ich es mir nicht leisten, sozusagen alles auf diese eine Karte zu setzen. Die Chance ist groß, dass du tatsächlich der nächste Lord Brightwell sein wirst und für diesen Fall möchte ich dich gut vorbereitet wissen, damit du diesem Namen gerecht wirst. Deshalb –« Er richtete sich auf und befahl kurz angebunden: »Erstens wird es keine weiteren Unschicklichkeiten mit der Dienerschaft geben. Zweitens wirst du dein Studium weiterführen und deinen Abschluss machen. Und drittens wirst du mit deiner Ausbildung in der Verwaltung des Anwesens und in parlamentarischen Aufgaben beginnen – in der Bibliothek, Samstag in einer Woche, neun Uhr. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
»Ja, das hast du, Mylord.« Felix sah verwundert zu Lord Brightwell hoch. »Ich muss sagen, du erstaunst mich, Onkel. Ich hätte das nicht von dir erwartet.«
»Was hast du denn erwartet?«
»Dass du mich rauswerfen würdest. Damit ich nicht in Versuchung käme …«
»Mein Ableben zu beschleunigen?«
Wieder errötete Felix. »Genau das.«
»Ich würde dir das nie zutrauen, Felix, auch wenn sich deine Mutter und deine Schwester als Intriganten erwiesen haben. Du bist vielleicht nicht der klügste Junge, und auch nicht der vorsichtigste, nicht der vornehmste und auch nicht …«
Edward räusperte sich.
»In Ordnung! Aber du hast ein gutes Herz und ich bin voller Hoffnung, dass du mit der angemessenen Ausbildung und Begleitung deiner Familie noch Ehre machen wirst.«
»Und was ist mit meiner Schwester?«
»Ich muss dir leider sagen, dass Judith uns schon verlassen hat.«
»Sie hat euch verlassen?«
»Ja, sie hat wieder geheiratet und ist jetzt sogar schon auf ihrer Hochzeitsreise.«
Felix blieb der Mund offen stehen. »Wann war das?«
»Vor zwei Tagen, wie ich es verstanden habe. Mit einer Sondererlaubnis.«
»Warum hat man das mir nicht gesagt?«
»Das wirst du Judith fragen müssen, wenn sie aus Italien zurückkommt. Ich habe ihr nicht verboten, Kontakt mit dir aufzunehmen, falls du das denkst.«
»Wen um alles in der Welt hat sie geheiratet?«
»George Linton.«
»Linton? Das kann doch nicht wahr sein. Du machst wohl Witze! Diesen Tölpel?«
»Diesen Tölpel, in der Tat, mit seinen angenehmen Viertausend im Jahr. Es scheint, als hätte Judith keine Lust gehabt, darauf zu warten, dass du dein Versprechen einlöst, für sie zu sorgen.«
Felix schüttelte den Kopf. »Ich fasse es nicht. Und ohne ihrem einzigen Bruder ein Wort zu
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