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Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Titel: Das Schweigen der Miss Keene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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hatte. Er blieb stehen und betrachtete sie. Ihr rosarotes Kleid hatte einen tiefen, geraden Ausschnitt, der ein zartes Schlüsselbein und bezaubernde weibliche Rundungen sehen ließ. Ein passendes rosafarbenes Band zog seinen Blick nach oben zu ihrem anmutigen Hals. Unter ihrer Haube baumelten Ohrringe von kleinen weißen Ohrläppchen, und glänzende Locken aus dunklem Haar umrahmten ihr Gesicht. Ihre Lippen schimmerten und ihre geröteten Wangen waren äußerst angenehm anzuschauen. »Was haben sie mit Ihnen angestellt?«
    Ihre Lippen öffneten sich und ihre Röte vertiefte sich.
    »Bitte verzeihen Sie mir, das ist völlig falsch herausgekommen. Ich meinte, na ja, Sie sehen wunderschön aus. Das war schon immer so, aber – mir gefällt Ihr Haar und … nun ja … alles an Ihnen.«
    Sie neigte den Kopf. »Danke. Meine Tante besteht darauf, dass ihre Kammerzofe mich frisiert und ankleidet. Das dauert viel zu lang, fürchte ich.«
    »Aber es lohnt sich, das versichere ich Ihnen.«
    Ihr angedeutetes Grinsen verwandelte sich in ein Lächeln.
    Als sie weitergingen, beide die Hände hinter dem Rücken verschränkt, erzählte er ihr alles, was in letzter Zeit in Brightwell Court geschehen war und was er erfahren hatte.
    Olivia blieb stehen, Mund und Augen weit geöffnet. »Avery Croome ist Ihr Großvater!« Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin verblüfft und doch … ich hätte es ahnen sollen.« Mit funkelnden blauen Augen musterte sie sein Gesicht. »Tatsächlich, ich entdecke eine Ähnlichkeit.«
    Er sagte trocken: »Ich weiß nicht, ob das ein Kompliment ist oder nicht.«
    »Vor ein paar Monaten wäre es das nicht gewesen, aber seit ich ihn besser kennengelernt habe, ist es eins.«
    Während sie weiterspazierten, warf er ihr einen Seitenblick zu und bemerkte an ihrer gekräuselten Stirn, dass sie immer noch grübelte.
    »Das bedeutet, Alice Croome war Ihre Mutter«, sagte sie. »Und Mrs Moore … hat sie das die ganze Zeit gewusst?«
    Edward schüttelte den Kopf.
    »Nein, das dachte ich auch nicht. Haben Sie es ihr gesagt?«
    »Ja.«
    »Wie hat sie reagiert?«
    Edward atmete tief durch. »Ich fürchte, ich habe im Untergeschoss einige Aufregung verursacht.«
    »Ach ja?«
    »Zwei Küchenmädchen haben beobachtet, wie ich ihre Wange küsste.«
    »Nein!«, sagte Olivia mit gespielter Empörung und lachte dann. »Bitte erzählen Sie mir alles.«
    Er folgte ihrem Wunsch und sie wanderten durch den Garten und unterhielten sich fast eine ganze Stunde lang.
    Als er seine Geschichte zu Ende erzählt hatte, fragte sie: »Was werden Sie jetzt machen?«
    »Eine ausgezeichnete Frage. Was werden Sie machen?«
    Sie holte tief Luft. »Ich werde den Rest des Sommers hier verbringen. Dann gehe ich nach Kent und unterrichte in einer Mädchenschule, so wie ich es immer wollte.«
    »Aber das war nicht ganz genau das, was Sie immer wollten, oder?«
    Sie zuckte die Achseln. »Nicht ganz genau, nein. Ich hatte davon geträumt, einmal eine eigene Schule mit meiner Mutter aufzumachen. Aber das muss fürs Erste ein Traum bleiben.« Sie seufzte. »Ich werde mich damit zufriedengeben, einer weiteren erfahrenen Schulleiterin zur Seite zu stehen, und möglichst viel von ihr lernen.«
    »Kann ich Sie nicht überreden, nach Brightwell Court zurückzukommen?«
    »Nein. So sehr ich Audrey und Andrew auch liebe, das … das kann ich nicht. Ich gebe zu, dass ich letzten Endes doch nicht dafür geeignet bin.«
    »Unsinn. Sie sind die klügste, netteste –«
    »Ich meinte das einsame Leben. Immer nur in Gesellschaft der Kinder zu sein. Lange einsame Stunden. Nirgendwo richtig dazuzugehören. Nie eine wahre Freundin zu haben … Bitte verzeihen Sie mir. Ich plappere schlimmer als Doris.«
    Er schaute sie verständnislos an. »Doris …?«
    Sie kniff die Augen zu. »Genau das meine ich.«
    Sie gingen weiter. Edward spürte, dass er etwas Falsches gesagt hatte, aber er wusste nicht, wie er es wiedergutmachen könnte. Stattdessen bemerkte er: »Sicher könnten Sie etwas näher als in Kent unterrichten.«
    »Vielleicht. Aber es ist auch etwas Verlockendes an einem neuen Anfang in weiter Ferne, jetzt wenn ich weiß, dass meine Mutter in Sicherheit ist. Ich habe dem Wachtmeister in Withington geschrieben und warte immer noch auf eine Nachricht über die Situation meines Vaters.«
    Er räusperte sich. »Sie haben es also noch nicht gehört? Als ich Sie sah, habe ich das vermutet. Es gibt Neuigkeiten, fürchte ich – Neuigkeiten, die ich gern persönlich

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