Das Schweigen der Schwaene
in der Zeitung von dieser Krankheit gelesen, die im wahrsten Sinne des Wortes die Organe ihres Opfers fraß. »Ja.«
»Das Kartell verfügt über einen Vorrat dieser Viren, um Leute zu beseitigen, die ihnen lästig sind. Und die Drohung hat bisher noch immer funktioniert. Gardeaux erhält regelmäßig Lieferunge n von dem Zeug.«
»Teuflisch.«
»Allerdings. Lassen Sie sich also gewarnt sein.« Er sah sie an.
»Denken Sie etwa, wenn Gardeaux ein leichter Gegner wäre, ginge Nick die Sache so vorsichtig an? «
Nein. Es musste furchtbar schmerzlich gewesen sein zuzusehen, wie der Freund langsam und qualvoll zu Grunde gegangen war.
»Ich bin immer noch hier, oder vielleicht nicht? Also übe ich mich ja wohl offensichtlich in Geduld.«
»Außer wenn Sie nicht ins Schwarze treffen.«
Sie lächelte. »Genau.«
»Ich dachte, er bliebe länger hier.« Nell beobachtete enttäuscht, wie der von Michaela gelenkte Jeep mit Jamie auf dem Beifahrersitz auf die Straße fuhr. »Ich habe noch nicht genug gelernt.«
»Er hat noch andere Dinge zu tun. Und er meinte, Sie wären gut genug, um selbst weiterzumachen«, sagte Nicholas. »Außerdem ist es hier für seinen Geschmack zu unkultiviert.«
»Es ist nicht unkultiviert.« Sie sah zu den Bergen auf. »Es ist einfach.«
»Allerdings.« Er sah dem Jeep hinterher, der sich dem ersten Tor näherte. »Gefällt es Ihnen hier? «
Darüber hatte sie noch nicht nachgedacht. Bisher war dies für sie lediglich der Ort gewesen, in der sie ihre Arbeit machte, aber unmerklich hatte sie sich an den Frieden und die Behaglichkeit der Umgebung gewöhnt. Sie fühlte sich zu Hause hier. »Ja. Man hat das Gefühl, dass hier alles irgendwie... verwurzelt ist.«
»Darum habe ich die Ranch auch gekauft.« Er schwieg einen Augenblick, und dann machte er plötzlich kehrt. »Ziehen Sie Jeans und eine warme Jacke an, und kommen Sie dann in den Stall.«
Sie starrte ihn verwundert an. »Warum? «
»Können Sie reiten? «
»Ich habe schon mal auf einem Pferd gesessen, aber ein Cowgirl bin ich wohl kaum.«
»Das brauchen Sie auch nicht zu sein. Schließlich sollen Sie nicht irgendwelche Stiere mit dem Lasso einfangen. Wir reiten nur ins Tafelland am Fuß der Hügel und besuchen Peter und Jean. Ich denke, dass sie inzwischen mit der Herde so weit runtergekommen sind.«
»Aber warum besuchen wir sie? «
»Weil ich es will.« Mit einem Mal wurde sein Mund von einem fröhlichen Lächeln umspielt. »Ich habe beschlossen, endlich damit aufzuhören, immer nur langweilig und pflichtbewusst zu sein, und stattdessen zu tun, was mir gefällt. Wollen Sie nicht sehen, wie sich Peter als Schafhirte macht? «
»Doch, aber ich - wie lange wird es dauern? «
»Am späten Nachmittag werden wir an der Stelle sein, an der sie normalerweise ihr Lager aufschlagen. Wir werden mit ihnen bei der Herde übernachten, und morgen früh reiten wir dann zurück.« Sein Lächeln verriet unverhohlenen Spott. »Früh genug, damit Sie mit Ihrem neuen Spielzeug weiterüben können.«
»Ich könnte die Waffe mitnehmen.«
»O nein. Dazu sind Sie noch nicht gut genug. Sie könnten ein Schaf treffen oder einen Hund.«
»Dann sollte ich vielleicht hier bleiben und...«
»Um Gottes willen, wollen Sie nun mit oder nicht? « fragte er entnervt.
Sie wollte mit. Sie wollte Jean Etchbarras kennen lernen und Peter wieder sehen. Eine kurze Pause wäre sicher nicht schlimm.
Wenn sie zurückkäme, würde sie einfach doppelt so hart an sich arbeiten wie bisher. Sie ging die Treppe hinauf. »Warten Sie auf mich.«
Jean Etchbarras war höchstens einen Meter siebzig groß, untersetzt, muskulös, und sein faltiges, rundes Gesicht wurde von einem humorvollen Lächeln erhellt. Hätte sie nicht genau gewusst, dass er der Mann der Haushälterin war, dann hätte Nell ihn mit der statuenhaften Michaela ebenso wenig in Verbindung gebracht wie mit Cleopatra.
»Freut mich, Sie kennen zu lernen.« Er strahlte über das ganze Gesicht. »Meine Michaela sagt, Sie sind ein feiner Mensch.«
Nell blinzelte. »Ach ja? «
Er nickte und wandte sich dann Tanek zu. »Wir haben ein Schaf an einen Wolf verloren. Aber das ist immer noch ein guter Schnitt.«
Tanek lächelte. »Allerdings. Nell wollte Peter sehen. Wo treibt der Junge sich denn rum? «
Jean winkte ans andere Ende der Herde. »Dort drüben. Er macht sich wirklich gut.«
Peter hatte sie bereits entdeckt, doch obwohl er fröhlich winkte, rührte er sich nicht vom Fleck.
»Sehen Sie? Er bewacht
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