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Das Schweigen der Schwaene

Das Schweigen der Schwaene

Titel: Das Schweigen der Schwaene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Johansen
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verzichte ich für gewöhnlich auf schmutzige Tricks.«
    »Sie greifen doch nie auf schmutzige Tricks zurück.«
    »Aber sicher doch. Sie haben mich nur noch nie in einer richtigen Arena erlebt.« Er griff in die Tasche seines Morgenmantels, zog ein Taschentuch heraus und warf es ihr zu.
    »Wischen Sie sich erst mal das Gesicht ab.«
    Sie tupfte an ihren Wangen herum. »Vielen Dank.«
    Schweigen senkte sich über sie, so dass nur noch das Knistern des Holzes und ihrer beider Atmen zu hören war. Seine stumme Anwesenheit war seltsam tröstlich für sie. Es war besser, als den Dämonen allein gegenüberzustehen. Obgleich er ihre Träume nicht kannte, hielt er die Dämonen von ihr fern.
    »So kann es einfach nicht weitergehen«, sagte er ruhig, doch sie antwortete nicht. Es gab einfach nichts, was sich auf diese Feststellung antworten ließ.
    »Tania hat mir von den Träumen erzählt. Manchmal hilft es, wenn man darüber spricht. Wollen Sie mir vielleicht erzählen, um was es in Ihren Träumen geht? «
    »Nein.« Sie sah ihn an, doch dann zuckte sie mit den Schultern und sagte: »Um Medas.«
    »Das ist mir klar. Aber worum genau? «
    »Um Jill«, sagte sie gereizt. »Worum wohl sonst? «
    »Ich habe Verständnis, wenn jemand leidet. Aber ich habe kein Verständnis, wenn sich jemand quält.«
    »Jill ist tot, und Maritz läuft immer noch frei herum.«
    »Das ist keine Qual, sondern Zorn.«
    Sie fühlte sich in die Ecke gedrängt, doch aushorchen ließe sie sich nicht. »Ich sagte doch bereits, dass ich nicht darüber reden will.«
    »Ich glaube, das wollen Sie doch. Ich glaube, genau deshalb sind Sie nicht wieder gegangen, obwohl ich hier im Wohnzimmer saß. Was passiert in Ihren Träumen, Nell? «
    Sie spannte nervös die Finger an. »Was denken Sie wohl, was passiert? «
    »Kämpfen Sie mit Maritz? «
    »Ja.«
    »Und wo ist Jill? «
    Sie antwortete nicht.
    »Ist sie im Schlafzimmer? «
    »Ich will nicht darüber reden.«
    »Sind Sie auf dem Balkon? «
    »Nein.«
    »Können Sie die Schüsse unten hören? «
    »Nein, nicht mehr. Ich höre nur noch die Spieluhr.«
    Ab ab, ab, zu der roten Rose hinab.
    Warum hörte er bloß nicht auf? Wieder zog er sie in jene dunkel verschwommene Welt zurück.
    »Wo ist Jill? «
    Zur Hölle mit ihm, warum hörte er nicht auf.
    »Wo ist Jill, Nell? «
    »Sie steht in der Tür«, platzte es aus ihr heraus. »Sie steht weinend in der Tür und beobachtet uns. Ist es das, was Sie wissen wollen? «
    »Das ist es, was ich wissen will. Warum wollten Sie mir das denn nicht erzählen? «
    Sie ballte die Fäuste, und ihre Fingernägel gruben sich schmerzhaft in ihre Haut. »Es geht Sie nichts an.«
    »Warum nicht? «
    Ab, ab, ab.
    »Warum nicht, Nell? «
    »Ich habe geschrien.« Tränen rannen ihr über das Gesicht. »Ich habe nicht nachgedacht... Es heißt immer, dass man schreien soll, wenn man einen Angreife
    r abschrecken will. Ich habe
    geschrien, und sie kam aus dem Schlafzimmer gerannt. Es war meine Schuld. Wenn ich nicht geschrien hätte, wäre sie vielleicht im Bett geblieben. Er hätte vielleicht nicht gemerkt, dass außer mir noch jemand im Appartement war. Ihr wäre vielleicht gar nichts passiert.«
    »Mein Gott.«
    Sie schaukelte vor und zurück. »Es war meine Schuld. Sie kam raus, und da hat er sie gesehen.«
    »Es war nicht Ihre Schuld.«
    »Doch«, sagte sie voller Hass auf sich selbst. »Haben Sie mich denn nicht gehö rt? Ich habe geschrien.«
    »Was natürlich in einem Augenblick, in dem ein Mann versucht, einen mit einem Messer abzustechen, eine furchtbare Sünde ist.«
    »Es war eine Sünde. Sie war meine Tochter. Ich hätte nachdenken sollen. Ich hätte sie beschützen sollen.«
    Er packte ihre Schultern und schüttelte sie. »Sie haben getan, was Ihrer Meinung nach das richtige war. Maritz hätte sie sowieso entdeckt. Er geht immer sehr sorgfältig vor.«
    »Vielleicht wusste er ja gar nicht, dass sie da war.«
    »Er wusste es.«
    »Nein, ich habe geschrien, und er...«
    »Hören Sie auf.« Er zog sie in seine Arme und hielt ihren Kopf an seine Schulter gepresst. »Sie haben gesagt, sie hätten die Spieluhr gehört. Also hat er sie auch gehört und wusste ohnehin, dass noch jemand im Nebenzimmer war. Falls nicht, hätte er nachgesehen.«
    Sie entwand sich seinem Griff und starrte ihn entgeistert an.
    »Haben Sie daran bisher noch nie gedacht? «
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Das überrascht mich nicht.« Er strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Ich habe die ganze

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