Das Schweigen der Schwaene
Zeit überlegt, weshalb Sie sagen, ich hätte an dem, was auf Medas passiert ist, keine Schuld. Jetzt verstehe ich. Sie haben die ganze Zeit über sich selbst als die Schuldige gesehen.«
»Das tue ich immer noch. Meinen Sie etwa, nur weil die Spieluhr an war, wäre jetzt alles gut? «
»Nein, denn Sie haben sich immer noch nicht verziehen, dass Sie überlebt haben, während Ihre Tochter gestorben ist.«
»Wenn Maritz tot ist, werde ich mir verzeihen.«
»Werden Sie das? «
»Ich weiß es nicht«, flüsterte sie. »Aber ich hoffe es.«
»Ich auch.« Abermals zog er sie in seine Arme und wiegte sie sanft hin und her. »Ich auch.«
Sie roch seinen Duft und spürte die Rauheit seines Morgenmantels an ihrem Gesicht, doch statt in Leidenschaft und Hitze hüllte seine Nähe sie in einen goldenen Frieden ein.
Lange Zeit verharrte sie reglos an seiner Brust, doch schließlich hob sie den Kopf. »Wenn ich nicht in mein Zimmer gehe und ein bisschen schlafe, hältst du mir morgen wieder meine Trägheit vor.«
»Wahrscheinlich.« Er zog sie wieder auf die Couch und schob ihren Kopf an seine Schulter zurück. »Aber darüber solltest du dir Gedanken machen, wenn es soweit ist.«
Sie entspannte sich, und erneut senkte sich ein wunderbarer Frieden über sie. Seltsam, dass Tanek, der alles andere als friedlich war, ihr eine solche Ruhe gab. Sie bliebe nur noch ein Weilchen hier, und dann ginge sie...
Sie schmiegt sich so vertrauensvoll an mich, als wäre ich ihre Mutter, dachte Tanek einigermaßen missvergnügt.
So etwas hatte er nicht geplant.
Geplant hatte er ein bisschen Sex bei emotionaler Distanz.
Und stattdessen hatte er eine größere Intimität als je zuvor mit einer Frau entdeckt, ohne jeden Sex.
Seine eigene Schuld. Nichts und niemand hatte ihm die Rolle der Ersatzmutter aufgedrängt.
Außer Nells Verletzlichkeit.
Sein Arm tat weh, aber er zog ihn nicht zurück.
Er blickte auf ihre Hand, die schlaff auf seinem Schenkel lag.
An den Stellen wo sie ihre Nägel im Handballen vergraben hatte, waren winzige halbmondförmige Abdrücke zu sehen.
Während er sanft über einen der Abdrücke strich, dachte er, diese Narben würden eines Tages verblassen, aber die unsichtbaren Narben behielte sie wohl ein Leben lang. Sie waren ebenso hässlich wie seine eigenen, und genau das war es, was sie beide miteinander verband.
Sie hob vorsichtig den Kopf und murmelte etwas, was er nicht verstand.
»Pst.« Er nahm sie fester in den Arm. Das war es doch, was eine Mutter tat, oder nicht? Sie spendete Trost und hielt die Alpträume fern.
Er seufzte. Nein, so etwas hatte er gewiss nicht geplant.
13. Kapitel
Nell öffnete verschlafen die Augen, als sie merkte, dass er ihr Schlafzimmer betrat. »Schon gut. Ich bringe dich nur ins Bett.«
Er legte sie vorsichtig auf dem Laken ab und zog ihr die Decke bis zum Kinn. »Schlaf einfach wieder ein.«
Sie begegnete dem Blick aus seinen wunderbar hellen Augen, die im Dämmerlicht des Zimmers schimmerten. »Gute Nacht.«
»Ruf einfach, wenn du mich brauchst.«
»Ich werde dich nicht brauchen. Danke für...« Er war fort. Nein, nicht fort. Immer noch spürte sie seine Nähe... auf eine tröstliche und zugleich sinnliche Art. Wie seltsam, dass eine Verbindung dieser beiden Dinge möglich war. Im Augenblick war der Trost wichtiger als der Sex, doch sie wusste, es wäre nur eine Frage der Zeit, bis sich der Schwerpunkt ihrer Beziehung verlagerte.
Aber die Aussicht darauf störte sie nicht mehr. Irgendetwas hatte sich verändert heute nacht.
Wie dumm sie gewesen war, sich ihm so lange zu widersetzen, dachte sie. Der Mann, der sie in den Schlaf gewiegt hatte, war bestimmt keine Bedrohung für sie. Und auch Sex war keine Gefahr. Er war kontrollierbar wie alles andere, und die Erleichterung wäre bestimmt gut für sie. Sie würden noch wochenlang zusammen sein, und es wäre sinnlos, machte sie es ihnen beiden unnötig schwer. Morgen nacht würde sie zu ihm gehen.
Bei diesem Gedanken wallte Erregung in ihr auf, doch sie unterdrückte sie. Am besten dachte sie nicht länger als nötig darüber nach, und am besten maß sie der Sache keine übermäßige Bedeutung bei. Schließlich ging es nur um Sex.
»Sie haben sie noch nicht gefunden? « fragte Gardeaux. »Mein
Gott, was in aller Welt haben Sie überhaupt getan? «
Maritz' Griff um den Telefonhörer verstärkte sich. »Ich habe eine Spur. Sie und die Haushälterin dieses Arztes waren ziemlich dick befreundet. Vielleic ht weiß die
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