Das Schweigen der Schwaene
ich Sie. Morgen abend werde ich noch einmal nach Ihnen sehen und Ihnen zeigen, was möglich ist.«
Sie war bestürzt. Er schien ein netter Mensch zu sein. Zu schade, daß sie ihm nicht helfen konnte.
Erleichtert stellte sie fest, daß er sich zum Gehen wandte. Er hatte ihre Hand losgelassen, und sie machte die Augen wieder zu. Nach wenigen Minuten versank sie abermals in einen gnädigen Schlaf.
Dieser Flügel des Krankenhauses war beinahe menschenleer.
Genau neun Minuten vor fünf, dachte Phil Johnson, während er den Korridor hinabschlenderte.
Eine hübsche Lernschwester kam ihm entgegen. Sie hatte ein frisches Gesicht, dunkle Locken und war mit Sommersprossen geradezu übersät. Sommersprossen hatte er schon immer geliebt.
Er lächelte.
Sie erwiderte sein Lächeln und blieb stehen. »Haben Sie sich verlaufen? Dies ist der Verwaltungstrakt.«
»Ich soll diese Versicherungsformulare abgeben.«
»Das Büro hat bereits zu.«
Er machte ein langes Gesicht. »Das ist mal wieder typisch für mich. Arbeiten Sie hier? «
Sie nickte. »Ich mache gerade mein Praktikum im Archiv.« Sie verzog das Gesicht. »In der Notaufnahme bin ich umgekippt.
Der Personalmanager meint, daß ich für Zahlen vielleicht besser geeignet bin als fürs Nähen.«
»Man hat's nicht leicht«, stellte er mitfühlend fest, und dann blicke er auf den Aktenordner, den er in den Händen hielt. »Tja, dann schleppe ich halt die Formulare in die Pädiatrie zurück und versuche es morgen noch mal.«
Sie zögerte, und dann zuckte sie mit den Schultern. »Ich lasse Sie rein. Sie können den Ordner ja einfach auf Trudas Schreibtisch legen.«
»Das wäre super.« Lächelnd beobachtete er, wie sie einen Schlüssel aus der Tasche zog. »Ich bin Phil Johnson.«
»Pat Danzig.« Sie öffnete die Tür, machte Licht und nahm ihm den Ordner ab. »Ich lege ihn in Trudas Ablage.«
Er beobachtete von der Tür, wie sie ans andere Ende des Zimmers ging. Hübsch, wunderhübsch.
Dann kam sie zurück und löschte das Licht.
Er nahm ihr den Schlüssel aus der Hand. »Ich mache das schon.« Er verschloss die Tür und drehte prüfend den Türknauf herum, ehe er ihr den Schlüssel wiedergab. »Vielen Dank, Pat.
Ich bringe Sie noch zu Ihrem Wagen.«
»Das ist nicht nötig.«
Er lächelte. »Oh, doch, es ist mir ein Vergnügen.«
Zehn Minuten später winkte er Pat, die in ihrem Honda davonbrauste, bedauernd hinterher. Sie war wirklich süß. Zu schade, daß er nicht lange genug hier wäre für ein Rendezvous.
Er machte kehrt und lief über den Parkplatz zurück zum Krankenhaus.
Ein paar Minuten später betrat er erneut das Büro und schloß lautlos die Tür.
Ohne Licht zu machen, ging er eilig zum Computer hinüber und schaltete ihn an. Der Bildschirm gäbe ihm genug Licht, und sein Schein wäre unter der Tür hindurch nicht zu sehen.
Die Tasten des Keyboards unter seinen Fingern waren glatt und vertraut. Allzu vertraut. Es war, als berührte er den Körper einer Geliebten, der jedesmal neu, jedesmal erregend war. An die Arbeit, sagte er sich.
Da er das Paßwort nicht kannte, gelangte er erst nach ein paar Minuten in die Datei. Trotzdem keine Herausforderung.
Nell Calder.
Über ihre Verlegung nach Woodsdale war bereits ein Eintrag erfolgt.
Gut. Er löschte den Eintrag, ging zum Aktenschrank und zog die gesamte Papierakte über Nell Calder heraus. Nicht, daß es unbedingt erforderlich gewesen wäre, denn die Akten wurden normalerweise nur selten eingesehen. Die Welt wurde von Computern beherrscht, und ein Büroangestellter gäbe wohl eher einen Computerausdruck heraus, als daß er in den Akten herumwühlte, um anschließend eine Kopie zu erstellen. Aber
Nicholas wollte, daß er ganz sicher ging. Wenn man das Verschwinden der Akte bemerkte, würde bestimmt allgemein angenommen, daß sie falsch abgelegt worden war. Menschen machten Fehler, Computer nicht.
Er kehrte an den Computer zurück, gab die erforderlichen Zeilen ein und verließ das Programm. Dann saß er da und starrte auf den leeren grünen Bildschirm, der ihm verführerischer als jede Frau erschien. Da er einmal hier war, wäre es doch sicher nicht schlimm, wenn er kurz in eine der Datenbanken ging, um zu sehen...
Seufzend schaltete er den Computer aus. Es wäre schlimm.
Weshalb sonst hatte er seinen eigenen Computer verkauft und einen Krankenpflegekurs belegt? Nicholas hatte ihm eine Chance gegeben, und er würde sie sich nicht verderben, indem er gleich der ersten Versuchung erlag.
Er stand
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