Das Schweigen der Schwaene
ich nicht.« Ohne dieses Wissen hatte sie sich wohler gefühlt. »Aber ich bin sicher, er hatte noch einen anderen Grund. Er hat auf mich nicht gerade den Eindruck eines allzu sentimentalen Menschen gemacht.
»Sentimental? Nein, aber er hat viel Gefühl. Nicholas ist kein einfacher Mensch, aber wenn er sich einer Sache verschreibt, kann man ihm vertrauen. Ich habe noch nie erlebt, daß er sein Wort gebrochen hat.« Sie schüttelte den Kopf. »Nicholas hat dich hergebracht und versucht, dir zu helfen. Warum also wirst du jedesmal wütend, wenn man über ihn spricht? «
»Er steht mir im Weg.«
»Dann wirst du feststellen, daß er nicht so leicht zu verrücken ist.«
»Aber ich werde es tun. Ich bin anders als du. Ich vergesse nicht. Und meine Träume werden sich erst dann legen, wenn Maritz nicht mehr lebt.«
»Gott stehe uns bei.« Tania seufzte. »Nun, versprichst du mir wenigstens, daß du mich nicht noch einmal täuschen wirst? «
Nell zögerte, doch dann nickte sie. »Ich wollte es nicht tun. Nur habe ich keinen anderen Weg gesehen.«
»Ich nehme an, du wirst mir nicht erzählen, ob du etwas herausgefunden hast? «
»Nein, denn dann würdest du zwischen den Fronten stehen. Du bist immer noch Nicholas' Freundin.«
Tania starrte sie an. »Und? «
»Und meine. Meine Freundin bist du ebenfalls.« Nell lächelte.
»Auch wenn ich nicht weiß, warum.«
»Dann waren die letzten fünfzehn Minuten und all meine Worte wohl umsonst.« Tania bot ihr ihre Hand. »Aber ein wenig Bescheidenheit ist vielleicht gar nicht so schlecht. Schließlich ist meine Freundschaft von unbezahlbarem Wert.« Unbehaglich starrte Nell auf Tanias ausgestreckte Hand. Ein Freund war ein Mensch, dem man verpflichtet war. Schritt für Schritt wurde sie aus der Leere zurückgezogen, die für das, was sie tun mußte, vielleicht erforderlich war.
Tanias Lächeln schwand, und zögernd sagte sie: »Es fällt mir nicht leicht, dich um deine Freundschaft zu bitten. Aber ich brauche jemanden, der weiß, wie es ist.«
Langsam ergriff Nell ihre Hand.
Tania blieb noch eine Stunde bei ihr, und dann wurde Nell das Essen gebracht, doch anschließend zog sie endlich die Computerausdrucke hervor.
Eine halbe Stunde später ließ sie das letzte Blatt auf die Bettdecke sinken und starrte nachdenklich in die Luft.
Keine Verhaftungen, keine Gerichtsverfahren, keine Erwähnung auch nur der geringsten kriminellen Machenschaft.
In dem Artikel in der New York Times wurde lediglich erwähnt, daß Philippe Gardeaux in Zusammenhang mit einer Auktion zugunsten der Aidshilfe nach New York gekommen war und einen Picasso gespendet hatte. Es hieß, er wäre ein europäischer Geschäftsmann und Menschenfreund.
Der Artikel im Time Magazin war ein wenig ergiebiger. Er handelte von den französischen Weinbauern und von ihrem Kampf für den Erhalt hoher Einfuhrzölle für fremden Wein.
In zwei Absätzen war die Rede von Gardeaux, der in Bellevigne auf einer Burg zu Hause war. Er war sechsundvierzig Jahre alt, verheiratet, Vater zweier Kinder und einer der einflußreichsten Weinbauern der Region. Er hatte mit Investitionen in China und Taiwan ein Vermögen gemacht und sich erst vor fünf Jahren dem Weinanbau zugewandt.
In der Sportzeitung ging es nicht um den Weinberg, sondern einzig um das Chateau von Bellevigne, das alljährlich zwischen Weihnachten und Neujahr Austragungsort eines Fechtturnieres war. Als würde die Zeit zurückgedreht, liefen sämtliche Gäste während der ganzen Woche in Renaissancekostümen herum, doch war das Turnier nicht nur als das wichtigste
gesellschaftliche Ereignis entlang der Riviera, sondern vor allem als Treffpunkt für Fechtbegeisterte und meisterhafte Schwertkämpfer zu sehen. Der Erlös der Veranstaltung wurde auf verschiedene Wohltätigkeitsvereine verteilt. Am Ende des Artikels wurde noch kurz Gardeaux' unbezahlbare Sammlung antiker Schwerter erwähnt.
Menschenfreund, einflußreicher Geschäftsmann, Sammler und Sportsmann obendrein.
Nirgends wurden Morde, Drogen oder auch nur Bestechung erwähnt. Nirgends gab es einen Hinweis darauf, daß dieser Mann einen Kerl wie Maritz anheuern würde, damit er eine Frau und ein Kind ermordete.
War der in diesen Artikeln beschriebene Mann vielleicht der falsche Gardeaux?
Er hat mit Investitionen in China und Taiwan ein Vermögen gemacht.
Tanek war in Hongkong aufgewachsen, was im besten Fall eine sehr vage Verbindung war.
Sie stopfte die Artikel in ihre Handtasche zurück. Was sie
Weitere Kostenlose Bücher