Das Schweigen der Schwaene
später betrat Joel ihren Raum. »Sie wollten mich sprechen? Stets zu Ihren Diensten, Madam.«
»Warum, zum Teufel, steht in meiner Krankendatei in St.
Joseph's, ich wäre am 9. Juni gestorben? «
»Sie haben es herausgefunden.« Joel stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus. »Damit hatte ich nichts zu tun. Nicholas fand, es wäre sicherer für Sie, wenn alle Welt dächte, Sie wären tot.«
»Also hat er mich einfach ausgelöscht. Ich kann noch nicht mal mehr meine Kreditkarten benutzen. Ich habe die Bank angerufen, und dort sagte man mir, ich würde als ›verstorben‹
geführt.« Sie starrte ihn an. »Und Sie wußten, daß das passieren könnte. Darum haben Sie mir das Geld gegeben, als wir letzte Woche zum Einkaufen in die Stadt gefahren sind. Sie wollten nicht, daß ich meine Kreditkarte benutze. Wie lange sollte das Ganze bitte laufen, bis mir mal irgendjemand davon erzählt? «
»Diese ehrenvolle Aufgabe hätte ich Nicholas überlassen. Ich habe es satt, ständig für den Unsinn geradezustehen, den er verzapft.« Er machte eine Pause. »Wie haben Sie es herausgefunden? «
»Ein Mann namens Kabler war heute hier.«
»Kabler? Hier?« Er pfiff leise durch die Zähne. »Ich frage mich, wie er unbemerkt an meinen Sicherheitsleuten vorbeigekommen ist.«
»Keine Ahnung. Und es interessiert mich auch nicht. Warum haben Sie bei dieser Sache mitgemacht? Tanek scheint zu denken, daß er sich nicht an irgendwelche Regeln halten muß, aber Ihnen hätte ich etwas mehr Verantwortungsbewußtsein zugetraut.«
»Ich habe mitgemacht, weil er recht hatte.« Als sie protestieren wollte, hob er abwehrend die Hand. »Sie waren sehr krank. Ich wollte nicht, daß Kabler Sie belästigt, und Nic holas dachte, Sie wären vielleicht immer noch in Gefahr. Ich hätte vielleicht eine andere Methode gewählt, um Sie zu schützen, aber was er getan hat, war äußerst effektiv.«
»O ja, alles, was Tanek tut, scheint äußerst effektiv zu sein. Und was für Formulare muß ich ausfüllen, damit man mich wieder zum Leben erweckt? «
»Sind Sie sicher, daß Sie das wollen? «
»Natürlich will ich das.«
»Vielleicht sind Sie immer noch in Gefahr.«
»Ich komme noch nicht einmal an mein Geld, damit ich Sie bezahlen kann.«
Er lächelte sie fröhlich an. »Dann lassen Sie Tanek bezahlen.
Geschähe ihm ganz recht.«
Strecken und Vierteilen geschähe ihm recht. »Ich will nicht von ihm abhängig sein.«
»Dann leihe ich Ihnen Geld, bis diese ganze Sache ausgestanden ist.«
Ihr Zorn auf ihn legte sich. Sie bezweifelte nicht, daß Tanek allein für ihr »Dahinscheiden« verantwortlich war. Joel war eine ehrliche Haut. Er versuchte nur zu tun, was für sie das Beste war. »Danke, Joel. Aber Sie wissen, daß ich dieses Angebot unmöglich annehmen kann. Ich werde meinen Anwalt anrufen und versuchen, ihn dazu zu bewegen, mir einen Teil des Geldes auszuzahlen, das mir von meiner Mutter vererbt worden ist.«
»Vielleicht denken Sie wenigstens noch ein paar Tage darüber nach? Es besteht kein Grund zur Eile. Vor nächster Woche können Sie sowieso nicht gehen. Ich will noch ein paar Röntgenaufnahmen machen, um zu sehen, ob der
Heilungsprozeß Ihrer Knochen meinen Vorstellungen
entspricht.«
»Ich bin schon seit über drei Monaten hier. Ich dachte, Sie behielten nur Ihre VIP-Patienten hier, bis keine Narbe mehr zu sehen ist.«
»Und diejenigen, die nicht wissen, wohin.«
Ihr Lächeln schwand. Wohin sollte sie gehen? Sie hatte kein Zuhause mehr. Von nun an wäre ihr Leben von Einsamkeit bestimmt.
»Was mich auf etwas bringt. Tania und ich haben uns gestern abend unterhalten, und wir würden uns freuen, wenn Sie nach Ihrer Entlassung aus der Klinik zu uns kommen würden. Auf diese Weise wüßten Sie wenigstens, wohin.«
Sie schüttelte den Kopf. »Sie brauchen mich nicht...«
»Ich brauche gar nichts.« Joel grinste. »Aber Sie würden Tania beschäftigen, und das wäre wunderbar. Sie macht mir das Leben zur Hölle, wenn sie sich ganz auf mich konzentrieren kann. Von daher wäre ich wirklich dankbar, wenn Sie das Angebot annehmen würden.«
Erleichterung wallte in ihr auf. Sie hatte sich bereits davor gefürchtet, in ein unpersönliches Hotelzimmer zu ziehen, bis sie wüßte, wie sich ihr Racheplan erfüllen ließ. »Vielleicht für einen Tag oder so. Vielen Dank.«
»Gut. Dann werde ich Tania sagen, daß sie nicht mehr kommen und Sie unnötig bedrängen muß. Wenn sie erst mal anfängt, Ihnen mit einer Bitte in den Ohren zu
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