Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schweigen der Toten

Das Schweigen der Toten

Titel: Das Schweigen der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Todd Ritter
Vom Netzwerk:
mit ihr reden.
    Nach dem, was auf dem Friedhof passiert war, wollte er nicht allein sein. Die Todesnähe hatte den unwiderstehlichen Wunsch in ihm geweckt, sich einer anderen Person anzuvertrauen. Und diese Person war Deana.
    Er klingelte wieder und hielt den Knopf so lange gedrückt, bis er im Haus Geräusche hörte. Als Deana die Tür öffnete, stand ihr die Überraschung ins Gesicht geschrieben.
    «Henry!», sagte sie mit schläfriger Stimme. «Was machst du denn hier?»
    Er antwortete nicht. Er war zu müde, um viele Worte zu machen, zu erschöpft nach den quälenden Minuten in dem Grab. Er konnte nicht erklären, warum er gekommen war. Die Gründe waren zu vielschichtig, als dass er sie in einem Satz hätte darlegen können.
    Schweigend trat er über die Schwelle. Deana riss die Augen auf, als sie seine verdreckten Kleider und das verschmierte Gesicht sah.
    «Was ist passiert? Bist du verletzt?»
    Henry schüttelte den Kopf.
    «Komm, du musst dich waschen.»
    Sie nahm ihn bei der Hand und führte ihn durch ein aufgeräumtes Wohnzimmer voller Bücherregale und Topfpflanzen. Dann ging es über die Treppe nach oben in ihr Schlafzimmer, eine Oase mit fliederfarbenen Wänden und weißen Möbeln. Nebenan befand sich ein kleines Badezimmer, wo sie schließlich haltmachten. Henry blieb in der Tür stehen, während Deana den Wasserhahn der Dusche aufdrehte.
    Sie legte ein Badetuch neben das Waschbecken und sagte: «Lass dir ruhig Zeit.»
    Nachdem sie gegangen war, zog Henry sich aus. Seine Sachen waren von dem angetrockneten Dreck so steif geworden, dass er Mühe hatte, aus ihnen herauszukommen. Trotz aller Vorsicht war der Boden unter seinen Füßen bald voller Erdkrümel.
    Unter der heißen Dusche löste sich der Schmutz aus den Haaren und vom Gesicht. Er atmete tief durch und sog den Dampf ein. Braune Rinnsale strömten an ihm herab und bildeten über dem Abfluss eine schlammige Pfütze.
    Er seifte sich ein, um auch den hartnäckigen Dreck zu entfernen, und als er den Schaum abzuspülen begann, spürte er einen Schwall kühler Luft auf der Haut. Wortlos stellte sich Deana zu ihm unter die Dusche.
    Sie umarmte ihn von hinten und presste ihm ihre Brüste auf den Rücken, küsste seinen Nacken und verrieb mit beiden Händen den Seifenschaum auf seiner Brust. Ihre Finger glitten über den Bauch und folgten der Haarspur weiter abwärts. Sie umfasste sein Glied, das in ihrer eingeseiften Hand hart wurde.
    «Deana –», flüsterte er, doch sie sagte nur: «Sch …»
    Er drehte sich um und sah sie vor sich stehen, die nackten, vollen Brüste, ihre Haut rosig vom heißen Dampf. Als sie sich küssten, überraschte ihn seine eigene Heftigkeit. Es war wie Hunger. Ihre Lippen wollten sich gar nicht mehr voneinander lösen.
    Sie schlang ihm die Arme um den Hals, und er hob sie mit Leichtigkeit an. Schon war er in ihr und stieß sie, als sie aufstöhnte, mit unbändiger Leidenschaft. Auch er stöhnte, und je wilder sie sich liebten, desto lauter wurde ihr lustvolles Stöhnen. Sie kamen gleichzeitig. Henry presste Deana an sich, während ihre Körper sich vor Wonne wanden.
    Als sie sich voneinander lösten, trat Deana scheu aus der Duschkabine und verschwand hinter dichten Schwaden. Henry drehte das Wasser ab und folgte ihr ins dunkle Schlafzimmer.
    Er fand sie eingerollt unter einer schweren weißen Decke, schlüpfte darunter und nahm sie in den Arm.
    So umschlungen, war er endlich bereit, sich ihr zu offenbaren.
    «Ich war verheiratet», sagte er leise. «Sie ist vor fünf Jahren gestorben.»
    Deana wandte sich ihm zu und drückte einen Zeigefinger auf seine Lippen.
    «Du musst es mir nicht sagen.»
    «Aber du sollst es wissen», entgegnete Henry. «Du hattest recht neulich, als du sagtest, ich müsse loslassen. Ich will’s versuchen.»
    Deana bettete ihren Kopf auf seine Brust und legte ihm einen Arm über den Bauch. Die Müdigkeit überwältigte sie, und gähnend gab sie ein winziges katzenhaftes Maunzen von sich.
    «Dummer Henry», flüsterte sie. «Das hast du doch schon.»

Fünfundzwanzig
    «Was zum Teufel haben Sie sich dabei gedacht?»
    Nick zog unwillkürlich den Kopf ein. Es war sechs Uhr in der Früh. Er stand mit Kat mitten auf dem Parkplatz hinter der Polizeistation und musste sich von ihr beschimpfen lassen.
    «Antworten Sie mir, Nick!», schnauzte sie ihn an und sprang ihm dabei fast ins Gesicht.
    Nick hatte sich auf Ärger gefasst gemacht, hatte aber gehofft, ihr in aller Ruhe Rede und Antwort stehen zu können.

Weitere Kostenlose Bücher