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Das Schweigen der Toten

Das Schweigen der Toten

Titel: Das Schweigen der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Todd Ritter
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verriegelte alle Fenster und Türen, wie sie es sich zur Gewohnheit gemacht hatte, seit Nick Donnelly ihr im März zum ersten Mal von seiner Serienmördertheorie erzählt hatte. Seitdem war sie umso wachsamer. Da draußen trieb ein Killer sein Unwesen, und Kat tat alles, damit er nicht ins Haus kam.
    Sie hatte gerade die Hintertür abgeschlossen, als das Telefon klingelte. Aus Sorge, James könnte aufgeweckt werden, rannte sie zum Apparat und riss den Hörer von der Gabel.
    «Campbell.»
    «Ich bin’s, Carl.»
    Ihr Stellvertreter hatte Spätdienst. Seine Stimme jagte Kat einen kleinen Schreck ein.
    «Was ist?», fragte sie. «Hat es noch ein Todesfax gegeben?»
    «Nein», antwortete er. «Nichts dergleichen. Aber Lisa Gunzelman war gerade hier.»
    Kat warf einen Blick auf die Uhr. Kurz vor Mitternacht. Ihr war schleierhaft, was Lisa Gunzelman um diese Zeit von der Polizei wollte. Aber sie kam nicht mehr dazu, Carl danach zu fragen, denn in diesem Moment läutete es an der Tür.
    «Carl, ich kann jetzt nicht.»
    «Chief, es gibt etwas, das Sie wissen sollten –»
    Es läutete ein zweites Mal. James würde womöglich aufwachen und wieder Angst bekommen.
    «Ich rufe zurück.» Sie legte den Hörer auf und eilte durchs Wohnzimmer. Als sie die Haustür öffnete, stand Lisa Gunzelman vor ihr, den Finger am Klingelknopf, um ein drittes Mal zu läuten.
    Lisa hatte offenbar getrunken. Sie stand auf wackligen Beinen und roch nach Alkohol. Grüne Grasflecken auf ihrer Jeans deuteten darauf hin, dass sie gestürzt war.
    «Hallo, Kat.»
    Schon nach zwei Worten war klar, dass sie ihre Stimme nicht unter Kontrolle hatte.
    «Lisa, was ist los?»
    Kat warf einen Blick über die Schulter, falls James neugierig angetappt kam. Sie wollte nicht, dass er Lisa so sah. Sie war so betrunken, dass sie sich kaum aufrecht halten konnte und am Verandageländer festhalten musste, um nicht umzufallen.
    «Ist es wahr?», lallte sie.
    «Was?»
    «Dass ihr Troys Mörder gestellt habt?»
    Kat wollte diesen Unsinn gerade Lisas Trunkenheit ankreiden, als ihr einfiel, dass Carl ihr am Telefon etwas Wichtiges hatte mitteilen wollen.
    «Wer sagt das?»
    «Ich will wissen, wer meinen Jungen getötet hat.»
    «Ich werde es herausfinden», sagte Kat. «Darauf können Sie sich verlassen.»
    Was war auf der Polizeistation geschehen? Dass sich Meister Tod gestellt hatte, war wohl kaum anzunehmen. Aber was hätte sonst passiert sein können?
    «Ich möchte selbst mit ihm sprechen», sagte Lisa. «Sofort.»
    Als Kat ihr sagte, dass dies nicht möglich sei, ließ Lisa mutlos die Schultern hängen. «Sie sind doch selbst Mutter, stimmt’s?», fragte Lisa.
    «Ja. Ich habe einen Sohn.»
    Lisa Gunzelman wandte sich ab und starrte in den dunklen Hof.
    «Ich hoffe für Sie, dass Sie ihn nie verlieren werden.»
    Das hoffe ich auch
, dachte Kat. Seit James’ Geburt fragte sie sich, wie es wohl sein würde, ohne ihn leben zu müssen. Zum Glück plagten sie solche Gedanken nie lange. Allein die Vorstellung war unerträglich. Ohne ihn würde sie selbst nicht weiterleben wollen.
    «Wie es ist, das eigene Kind zu verlieren, lässt sich nicht beschreiben», fuhr Lisa fort. «Ich bin außer mir. Im Spiegel sehe ich aus wie immer. Aber das bin ich nicht. Ich bin nicht dieselbe Frau, die Troy zur Welt gebracht und großgezogen hat. Seit er tot ist, bin ich eine andere. Ich bin nur noch eine leere Hülle.»
    Kat empfand tiefes Mitgefühl. Sie versuchte zu verstehen, was Lisa durchmachte, aber ein so großer Verlust war wohl nur dann nachzuvollziehen, wenn man ihn selbst erfahren hatte.
    «Kommen Sie rein», sagte Kat. «Ich mache uns einen Kaffee.»
    Lisa schüttelte den Kopf, dankbar, aber entschieden. «Tut mir leid, dass ich gestört habe. Ich hätte nicht kommen sollen.»
    Sie stolperte über die obere Verandastufe. Kat versuchte, sie zu halten, kam aber zu spät. Lisa rutschte die Treppe hinunter, schaffte es jedoch irgendwie, auf den Beinen zu bleiben. Sie wankte die Auffahrt entlang, drehte sich noch einmal um und sagte: «Versprechen Sie mir bitte eines.»
    «Was?»
    «Wenn dieser Mann der Killer ist, bestrafen Sie ihn.» Lisa Gunzelmans Gesicht war wutverzerrt. «Bestrafen Sie ihn, Kat. Lassen Sie ihn büßen.»
     
    In Deana Swans Haus brannte kein Licht, als Henry durch den Vorgarten darauf zuging. Es blieb auch dunkel, nachdem er auf den Klingelknopf gedrückt hatte. Wahrscheinlich schlief sie und hörte die Türglocke nicht. Trotzdem wollte er sie sehen. Er musste

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