Das Schweigen der Toten
Rechte.»
«Apropos», sagte Nick und öffnete die Coladose. «Haben Sie einen Anwalt? Wenn nicht, wäre es an der Zeit, dass Sie sich einen nehmen. Einen guten.»
Er hob die Coladose an den Mund und trank genüsslich. Lucas fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen.
«Schmeckt gut», meinte Nick. «Sie können den Rest haben, wenn Sie mir verraten, warum Sie sich ausgerechnet diese beiden Männer ausgesucht haben. Gibt es eine logische Erklärung dafür? Hatten Sie irgendwelche bestimmten Gründe?»
«Ich war das nicht, Mann. Wie oft soll ich Ihnen das noch sagen?»
«Wen haben Sie als Nächsten auf Ihrer Liste? Das interessiert uns ganz besonders.»
Lucas schüttelte den Kopf. «Liste? Ich weiß immer noch nicht, wovon Sie reden.»
Die Coladose landete neben dem Orangensaft auf dem Boden. Beide Flüssigkeiten vermischten sich zu einer schäumenden braunen Brühe.
Nick stand auf und zog zwei Dosen Orangensaft aus dem Automaten. Er öffnete eine und gab sie Lucas, der den Inhalt gierig in sich hineinstürzte. Die andere Dose stellte Nick vor Lucas auf den Tisch, bevor er selbst wieder daran Platz nahm.
«Jetzt, wo Sie Ihre Kehle geschmiert haben, könnten Sie vielleicht mal auspacken.»
Lucas hatte die erste Dose geleert und machte sich über die zweite her. «Ich habe diese Typen nicht umgebracht», sagte er zwischen zwei Schlucken. «Das müssen Sie mir glauben.»
«Ich habe heute Morgen die Haftanstalt von Camp Hill angerufen», sagte Nick. «Da kennen Sie sich doch aus, nicht wahr?»
Lucas rülpste in Nicks Richtung, womit er offenbar deutlich machen wollte, dass mit ihm nicht gut Kirschen essen war. Nick beachtete es nicht.
«Ich weiß, dass Sie in Camp Hill eingesessen haben, Lucas», fuhr er fort. «Ich habe mit einem der Schließer gesprochen. Und wissen Sie, was der mir gesagt hat?»
«Dass ich meine Zeit abgebrummt und keine Probleme gemacht habe.»
«Stimmt genau. Außerdem sagte er, dass Sie in dem gefängniseigenen Leichenschauhaus mitgearbeitet haben. Stimmt das?»
Lukas schwieg.
«Was haben Sie dort gelernt?», fragte Nick. «Wie man einbalsamiert?»
«Unter anderem.»
«Haben Sie dort auch zwischen Halsschlagader und Drosselvene zu unterscheiden gelernt?»
«Ja.» Lucas hob die Dose an die Lippen und trank. «Aber das macht mich immer noch nicht zu einem Mörder.»
«Wenn Sie es nicht waren, könnten Sie uns vielleicht wenigstens auf die richtige Spur bringen. Wir würden uns für Ihre Hilfe erkenntlich zeigen. Ins Gefängnis wandern Sie so oder so. Fragt sich nur, für wie lange.»
Lucas verzog wieder das Gesicht. «Und wenn ich Ihnen nicht helfe?»
«Kriegen Sie lebenslänglich.»
Weil Nick die Worte so leichthin ausgesprochen hatte, brauchte Lucas einen Moment, um zu begreifen, was er gesagt hatte. Als der Groschen gefallen war, setzte er die Dose ab und stammelte: «Aber … aber das können Sie doch nicht machen.»
«Dann verraten Sie mir, wie viele Leute sich von Ihnen begraben lassen haben.»
«Weiß ich nicht mehr. Vielleicht zehn oder elf.»
«Können Sie Ihre Kunden beschreiben? Zumindest den ein oder andern?»
«Möglich. Die letzten waren so eine Heulsuse und ihr Freund.»
«Ich weiß», sagte Nick. «Was ist mit den anderen?»
Lucas rieb sich die Stirn. «Muss ich nachdenken.»
Nick stand wieder auf und grinste, als Lucas vom Tisch abrückte, soweit es seine Fußfesseln erlaubten. Nick trat hinter ihn und legte ihm beide Hände auf die Schultern. Lucas versuchte, sie abzuschütteln, doch Nick ließ nicht locker.
«Woher haben Sie den Sarg, in dem Sie Ihre Kunden begraben?», fragte Nick. «Der ist bestimmt kein Souvenir aus dem Knast.»
«Gekauft.»
«Wo?»
«Ist das wichtig?»
«Vielleicht», antwortete Nick. «Im
Wal-Mart
kriegt man so was jedenfalls nicht.»
«Ich hab das Ding von einem Typen, mit dem ich halbe-halbe machen muss.»
Nick übte ein bisschen mehr Druck auf Lucas’ Schultern aus, und der rutschte auf seinem Sitz nach vorn. «Ich schlage einen Deal vor, Lucas. Sie sagen uns, von wem Sie den Sarg haben, und wir lassen Sie laufen. Wir vergessen Ihren kleinen Nebenjob auf dem Friedhof, vorausgesetzt, Sie versprechen, dass Sie ihn ein für alle Mal aufgeben. Wie finden Sie das?»
«Der Typ heißt Bob», sagte Lucas.
«Und wie weiter?»
«Bob McNeil.»
Sechsundzwanzig
Henry spürte Lippen über sein Ohrläppchen streichen.
«Aufwachen, Schlafmütze», flüsterte eine Stimme.
Brummend wälzte sich Henry auf die andere
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