Das Schweigen der Tukane
mit Oeris, Vischers oder Robert Stolz senior sind wir arm. Wenn du uns jedoch mit Hanspeter Sonderegger vergleichst, sind wir vermögend.»
«Warum wollte dein Mann dann, dass Robert Stolz die Bürgschaft übernimmt?»
«Ich … ich kann mir nur eines vorstellen, Nadine.» Sie schluckte und sah Nadine betroffen an. «Peter … er wollte Ernst machen.»
«Das verstehe ich nicht.»
«Du weisst ja, dass unsere Ehe in den letzten Jahren stark gelitten hat. Ich dachte, nein ich hoffte, dass sich das wieder einrenken lässt. Aber, wenn ich das jetzt höre, gibts für mich nur eine logische Erklärung. Peter wollte sich scheiden lassen.»
«Glaubst du das wirklich?», hakte Nadine nach und sah zu Ferrari.
«Es macht den Anschein … weshalb sollte er sonst zu Robert gehen?»
«Vielleicht ist er erpresst worden?»
«Erpresst? Unsinn, Nadine, wer sollte ihn erpressen? Und womit?»
«Nora Schüpfer zum Beispiel. Entweder sie selbst oder jemand, der wusste, dass er einer ihrer Kunden ist. Sein guter Ruf wäre kaputt gewesen und somit auch die politische Karriere.»
Emma Grauwiler schmunzelte zum ersten Mal.
«Nadine, Peter wollte sich ja aus der Politik zurückziehen. Dieses Argument greift nicht. Wenn es ihm um unseren Ruf gegangen wäre, das wäre schon eher möglich. Ich glaube aber nicht, dass das Wissen um gelegentliche Callgirlbesuche für eine Erpressung reicht. Und selbst wenn er erpresst worden wäre, das hätte er mir beichten müssen. Ich bin der Finanzchef. Peter konnte keine grössere Summe abheben, ohne dass es mir aufgefallen wäre. Glaub mir, Nadine, er leitete hinter meinem Rücken die Scheidung ein. Mein Gott! Wie sehr muss er mich gehasst haben.»
Das war einleuchtend. Ferrari befragte Emma Grauwiler noch nach ihrem Einkommen und ihren genauen Vermögensverhältnissen. Sie sprach ganz offen, auch darüber, dass sie ihren Anteil an der Kanzlei an Remo Kuster verkaufen würde. Na prima, der Kommissär seufzte, wir sind keinen Schritt weiter. Es ist zum Verrücktwerden.
14. Kapitel
Ganz automatisch wollte sich Ferrari ans Steuer setzen.
«Ich möchte fahren.»
Zögernd reichte er Nadine den Schlüssel.
«He! Ich lebe noch. Ich muss zur Normalität zurückkehren, besser heute als übermorgen. Hartmanns hin oder her. Die werden mich nicht so leicht kleinkriegen.»
Schön wärs, doch deine Mimik spricht eine andere Sprache. Von der Normalität bist du noch weit entfernt. Ferrari ertastete den Zettel. Noldi wäre jetzt hilfreich. Der Kommissär schüttelte den Kopf. Jahrelang zottelte er wie ein Dackel hinter ihr her, lag ihr zu Füssen. Ferrari erinnerte sich noch genau an seine ersten Auftritte bei ihm im Büro. Er stotterte jedes Mal, wenn Nadine nur in seine Nähe kam. Und jetzt die Kehrtwende, schwach und enttäuschend!
«Was willst du mit dem Zettel?»
«Ich lasse ihn analysieren. Die Kollegen sollen eine Schriftprobe abgeben.»
«Willst du Noldi damit beauftragen?»
«Es gibt zum Glück noch andere im Labor.»
«Das schon, aber alle denken wie Noldi. Und zudem ist er der unbestrittene König des Labors und wenn seine Majestät nicht will, schliesst sich das Fussvolk unisono an. Lass es auf sich beruhen.»
Ja, ja. Eben habe ich den weisen Rat gegeben, dass dieser idiotische Vorfall nicht wert ist, sich aufzuregen, geschweige denn, sich Gedanken darüber zu machen. In Tat und Wahrheit will ich diesen verfluchten Schmierfinken stellen und ihm einen Denkzettel verpassen. Einen, den er sein ganzes Leben lang nicht vergessen wird. Erst dann wird im Kommissariat wieder Ruhe einkehren.
«Wir fahren zu Kuster», hörte er Nadine sagen, die mit quietschenden Reifen um den Neubadkreisel fuhr.
«Wieso zu Kuster?»
«Weil er Grauwilers Geschäftspartner gewesen ist. Wäre doch eigentlich logisch, dass er zuerst ihn anpumpt.»
«Rufen wir besser vorher an. Es ist Samstag.»
«Nein. Wir überraschen ihn.»
Ferrari hielt sich am Armaturenbrett fest. In einer Beziehung war sie wirklich bereits zur Normalität übergegangen.
Remo Kuster arbeitete anscheinend auch am Wochenende. Er unterhielt sich mit einem asiatischen Kunden. Die Sitzung würde ihn noch eine halbe Stunde in Anspruch nehmen, deshalb schlug er vor, sich im Anschluss im «Restaurant zur Harmonie» zu treffen. Wunderbar, dachte der Kommissär, Zeit für ein Bierchen. Sie setzten sich an den letzten freien Tisch.
«Es ist besser, wenn ich wieder nach Bern zurückgehe.»
Ferrari verschluckte sich und begann fürchterlich zu
Weitere Kostenlose Bücher