Das Schweigen der Tukane
Zeit, die Wahrheit zu erzählen. Wie kam es zur Ermordung von Peter Grauwiler?», setzte der Kommissär nach, während Nadine das Aufnahmegerät laufen liess.
Nora überlegte lange. Im Zimmer hörte man nur das Geräusch des Aufnahmegeräts und Ferraris rhythmisches Klopfen mit seinem Kugelschreiber. Zögernd begann sie zu erzählen.
«Ich wollte aus dem Mist raus und ein neues Leben beginnen, wegen Julie und Thuri. Ich rief Peter an und sagte ihm, dass ich aussteige. Da drohte er mir. Am nächsten Tag kam er vorbei, meinte, ich sei sein bestes Stück und er lasse meinen Abgang auf keinen Fall zu. Ein Wort gab das andere und plötzlich stürzte er auf mich. Peter war wie von Sinnen. Ich wehrte ihn ab und … und stiess zu, damit er nie mehr auf mich losgehen konnte.»
«Wurde Julie entführt, Nora?»
«Ich möchte, dass das Gerät abgeschaltet wird. Sonst sage ich nichts mehr.»
Ferrari stoppte die Aufnahme.
«Ja, um mich zu erpressen und mir klar zu machen, dass ich ihm hilflos ausgeliefert bin.»
«Wurde Julie von Hanspeter Sonderegger entführt?»
Sie nickte.
«Er übergab mir Julie am Badischen Bahnhof. ‹Ein Geschenk für dich›, höhnte er. ‹Wir wollen doch beide nicht, dass sie das nächste Mal entstellt oder gar tot ist.› Das … das war schrecklich», mit zitternder Hand fuhr sie sich durch die Haare. «Aussteigen sei nicht drin, betonte er weiter und die Geschäfte, die würde er jetzt allein weiterführen.»
«Und Arthur Koch?»
«Ich traf ihn in den Langen Erlen und erzählte ihm alles. Er wollte die Angelegenheit regeln. Ich sollte mit Julie im Versteck bleiben. Als ich erfuhr, dass Thuri tot ist, stellte ich mich.»
«Würden Sie das vor Gericht wiederholen?»
«Niemals! Weil dann Julie in Gefahr wäre. Und kommt mir nicht damit, dass ihr sie beschützt. Das könnt ihr nicht. Ich bleibe bei meiner Version, Nadine. Ich habe Peter Grauwiler und Arthur Koch umgebracht, und es gab auch nie eine Entführung. Alles andere würde ich vor Gericht abstreiten. Ich habe viel zu viel Angst, Hanspeter Sonderegger würde bestimmt seine Drohungen wahr machen.
Meine kleine Julie! Sie ist mein Ein und Alles. Ich muss sie beschützen.»
Nachdem Nora wieder in die Zelle gebracht worden war, erhöhte sich Ferraris Staccato. Nadine schien es nicht zu bemerken, schweigend sass sie da.
«Verdammte Scheisse! Nora wird als Doppelmörderin verurteilt. Dabei würde sie mit einem Staranwalt vielleicht mit Notwehr davonkommen. Und Sonderegger entwischt uns. Wunderbar. Ein dreifaches Hoch auf die Gerechtigkeit.»
«Eine vertrackte Situation, Nadine. Wir kennen jetzt den Mörder von Arthur Koch, aber wir haben keinerlei Beweise.»
«Scheisse! Scheisse! Mir tut Nora leid.»
«Na ja, unschuldig ist sie beim besten Willen nicht. Denk bitte daran, dass sie Grauwiler das Messer in den Rücken steckte.»
«Sie war unzurechnungsfähig.»
«Das lasse ich gelten, doch beim Dealen war sie sehr wohl zurechnungsfähig.»
«Okay, du Moralapostel. Denk an Julie und lass dir gefälligst eine Strategie einfallen, wie wir den Mörder im St. Johann überführen können. Na, was ist?»
«Wir wollten ja eigentlich noch bei ihm reinschauen. Das verschieben wir auf morgen. Drogen werden wir sowieso keine finden. Wiegen wir ihn in Sicherheit und schlafen eine Nacht darüber. Das wird ein harter Brocken, ein verdammt harter.»
«Die Einzige, die ihn fertig machen kann, will nicht. Aus verständlichen Gründen. Ich fahre dich nach Hause.»
«Danke, das ich nicht nötig. Ich nehme den Dreier.»
«Nein, ich fahre dich. Monika und ich haben noch eine Kleinigkeit vor.»
Das gefällt mir gar nicht. Was wird hier hinter meinem Rücken gespielt? Und wer ist dieser anonyme Mann, der um die beiden herumschleicht? Monika erwartete sie bereits ungeduldig. Ferrari wurde schnurstracks mit einer Flasche Wein in den Wintergarten spediert und weg waren sie. Unwillkürlich kam ihm der Satz «The same procedure as every year» in den Sinn. «Well, I’ll do my very best», antwortet der Butler James, der an der Geburtstagsfeier von Miss Sophie, es ist ihr neunzigster, in die Rollen der vier geladenen, jedoch bereits verstorbenen Gäste schlüpft. Ein wunderbarer Sketch, ein Klassiker. Ferrari blätterte lustlos die «Basler Zeitung» durch. Ah, ein Bild von Marco Streller mit Olivia. Er überflog den Artikel. Jetzt ist es also definitiv, Marco ist im Patronatskomitee und wird an Olivias Benefizlauf auf der Schützenmatte teilnehmen. Das wär
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