Das Schweigen der Tukane
neue Gott aller Occasionautogeschädigten, der Held von wehrlosen Frauen und übertölpelten Idioten, herrschte an diesem Abend unumstritten im Hause von Monika und Ferrari. Wie sie es geniessen! Monika und Nadine wissen ganz genau, dass mich der Typ mit seiner grinsenden Fratze, irgendwie erinnert er mich an Jack Nicholson im Film ‹Batman›, und seinem affektierten Getue so etwas von nervt.
«Möchtest du noch einen Schluck Wein, Paul?»
«Danke, Monika. Es ist Zeit für mich.»
Höchste Zeit! Hoffentlich sagt er jetzt nicht zum Abschied: Heute ist nicht alle Tage, ich komm wieder, keine Frage.
«Nochmals vielen Dank, ohne dich hätten wir es nicht geschafft.»
«Gern geschehen. Gute Nacht.»
Uff, endlich ist er weg. Lange hätte ich diesem Gesülze nicht mehr tatenlos zugesehen.
«Was ist? Passt dir etwas nicht, Francesco?»
«Also ich finde, dass ihr ein wenig übertreibt.»
«Das finden wir gar nicht.»
«Dieses blöde Getue, von wegen Paulchen hier und Paulchen dort.»
«Höre ich da eine Spur Neid in deiner Stimme? Oder gar Eifersucht?»
«Ha! Auf diesen Gartenzwerg?»
Monika und Nadine zerplatzten beinahe vor Lachen auf ihrem Triumphzug vom Wohnzimmer in die Küche.
22. Kapitel
Die Lösung des Falls war zum Greifen nah. Jetzt nur keine Fehler machen. Hanspeter Sonderegger muss sich in Sicherheit wiegen, glauben, dass alle Welt Nora Schüpfer des doppelten Mordes für schuldig hält. Nur so kriegen wir ihn. Seine Schulden müssen weit höher sein als bisher angenommen, zumal ja die Drogen mit Sicherheit grosse Summen einspielten. Aber anscheinend nicht genug, um ihm aus der Klemme zu helfen. War Grauwiler überhaupt freiwillig Bürge geworden? Vielleicht wollte der Nationalrat aussteigen, und Sonderegger stellte ihn vor das Ultimatum: Du kannst aus dem Geschäft aussteigen, wenn du für mich bürgst. Hm.
Hanspeter Sonderegger sass an seinem Schreibtisch, vor sich ein Stapel Zollpapiere.
«Kommen Sie herein oder wollen wir direkt ins Lager?»
«Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würden wir gerne das Lager besichtigen», versuchte Nadine betont freundlich zu sein, während nur ein Gedanke in ihrem Kopf herumspukte: Wart nur, wir kriegen dich, du mieses Schwein!
Sonderegger erklärte auf dem Weg zum Palettenlager detailliert, was auf den einzelnen Stockwerken gebunkert wurde.
«So, hier wären wir.»
Er schloss auf und liess sie hinein. Auf Hochregalen standen unzählige Paletten, Ferrari hatte es sich gleichwohl eindrücklicher vorgestellt. Sollten wir die Drogenhunde kommen lassen? Das machte wohl wenig Sinn, zumal Sonderegger genügend Zeit hatte, den gesamten Stoff verschwinden zu lassen. Jovial erläuterte er Nadine, wie ein Transport vom Ursprungsort bis ins Lager im St. Johann funktionierte, welche Papiere benötigt wurden und wie danach die Verteilung vonstatten ging.
«Werden die Waren am Zoll kontrolliert?»
«Nicht wirklich, damit sind die Zöllner einfach überfordert. Wir deklarieren die Waren und dann entscheidet der Zoll, ob sie eine Revision machen.»
«Und bei den Gütern von ‹antoras›?»
«Ich glaube nicht, dass es da jemals eine Revision oder Stichproben gab. Weshalb auch? Es ist eine Stiftung, die Gutes tut. Das ist verlorene Zeit. Da sollen die Zollbeamten besser andersweitig aktiv werden.»
«Zum Beispiel?»
«Ach, da könnte ich Ihnen einige Müsterchen erzählen. Was da alles falsch deklariert wird, um Kosten zu sparen. Es ist natürlich die Aufgabe eines guten Zolldeklaranten, den günstigsten Tarif anzumelden, aber da gibt es ganz gewiefte Schlitzohren, die bewegen sich in der Grauzone.»
«Dazu gehören Sie ja sicher nicht.»
Sonderegger blickte Nadine irritiert an, nachdenklich schüttelte er den Kopf und fuhr fort: «Letztendlich ist es eine Vertrauenssache zwischen Zoll und Deklarant. Den einen kann man vertrauen, den anderen nicht.»
«Wunderbar, danke für Ihre Erklärungen. Komm, Nadine, wir gehen.»
«Ich bin noch nicht fertig, Francesco, es dauert nicht mehr lange … Halfen Sie ab und zu Peter Grauwiler bei der Verteilung der Waren?»
«Ja, meistens. Die Paletten wurden von den Camions ausgeliefert, kleinere Pakete mit der Post verschickt oder von Peter mitgenommen.»
«Und dafür stellten Sie dann der Stiftung eine Rechnung?»
«Nein! Emma und Peter sind immer grosszügig gewesen. Es ist ein Geben und ein Nehmen. Ich habe nie etwas für meine Bemühungen verrechnet, aber das hatten wir doch schon.»
«Sie sind ja ein richtig guter
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