Das Schweigen des Glücks
an ihm fesselte ihre Aufmerksamkeit – eine Sanftheit, trotz seiner Größe, ein Blick, der scharfsichtig war, dabei aber nicht bedrohlich. Obwohl sie wusste, das es nicht sein konnte, kam es ihr so vor, als wusste er, wie schwer ihr Leben in den letzten Jahren gewesen war. Mit einem Blick auf seine linke Hand sah sie, dass er keinen Ring trug.
Darauf wandte sie rasch die Augen ab. Sie wusste nicht, woher der Gedanke gekommen war, was der Grund dafür war. Wieso war das wichtig? Kyle war immer noch vertieft in den Anblick der Süßigkeiten und war im Begriff, eine Tüte Lakritzstäbchen aufzureißen, als Denise es bemerkte.
»Kyle – nein!«
Mit raschen Schritten ging sie auf ihn zu und drehte sich zu Taylor um. »Entschuldigen Sie. Ich muss ihn da wegholen.«
Er trat einen Schritt zurück. »Kein Problem.«
Als sie sich entfernte, sah Taylor ihr fasziniert zu. Das hübsche, fast geheimnisvolle Gesicht mit den hohen Wangenknochen und den exotischen Augen, das dunkle Haar, in einem unordentlichen Pferdeschwanz zusammengebunden, der ihr bis zu den Schulterblättern reichte, die wohlgeformte Figur, die von den Shorts und der Bluse, die sie trug, noch betont wurde »Kyle – stell das wieder hin! Ich habe schon Bonbons für dich… «
Bevor Denise auffallen konnte, wie er sie anstarrte, schüttelte er den Kopf und wandte sich ab. Er verstand nicht, wieso er ihre Schönheit an dem Abend damals nicht wahrgenommen hatte. Einen Moment später stand Denise wieder vor ihm, Kyle war an ihrer Seite. Er schmollte, weil er auf frischer Tat ertappt worden war.
»Entschuldigen Sie bitte. Eigentlich weiß er, dass er das nicht darf«, sagte sie.
»Bestimmt, aber Kinder testen gern die Grenzen.«
»Das hört sich an, als ob Sie aus Erfahrung sprechen.«
Er grinste. »Nein. Nur aus meiner Erfahrung als Kind. Ich habe keine Kinder.«
Es entstand eine verlegene Pause, dann sprach Taylor weiter.
»Sie sind also hier, um ein paar Besorgungen zu machen?«
Das war Konversation, leeres Geplapper, dessen war Taylor sich bewusst, aber irgendwie wollte er sie nicht gehen lassen.
Denise fuhr sich mit der Hand durch ihren Pferdeschwanz.
»Ja, wir brauchten ein paar Sachen. Der Küchenschrank war schon ziemlich leer, Sie wissen schon. Und Sie?«
»Ich bin gekommen, um für meine Leute etwas zu trinken zu holen.«
»Auf der Feuerwache?«
»Nein – ich bin nur Freiwilliger. Die Männer, die für mich arbeiten. Ich bin Bauunternehmer – ich mache Umbauten und so.«
Einen Moment lang war sie verwirrt.
»Sie sind bei der freiwilligen Feuerwehr? Ich dachte, das gab's schon seit zwanzig Jahren nicht mehr.«
»Hier gibt es das noch. Ich glaube, eigentlich gibt es das in den meisten kleinen Städten. Im Allgemeinen ist nicht so viel los, dass sich eine feste Truppe lohnen würde, deswegen brauchen sie Leute wie mich, wenn es einen Notfall gibt.«
»Das wusste ich nicht.«
Im Licht dieser Erkenntnis erschien das, was er getan hatte, noch großartiger, obwohl sie das für fast unmöglich gehalten hatte.
Kyle sah zu seiner Mutter hinauf. »Ea Hunga«, sagte er.
»Hast du Hunger, mein Süßer?«
»Ja.«
»Na, bald sind wir zu Hause. Dann mache ich dir ein getoastetes Käsebrot. Wie findest du das?«
Er nickte. »Is dut.«
Denise setzte sich jedoch nicht sofort in Bewegung – oder zumindest nicht schnell genug für Kyle. Stattdessen wandte sie sich wieder Taylor zu. Kyle packte den Saum ihrer Shorts und sie wollte ihn automatisch mit ihrer Hand stoppen. »Wil Hause«, sagte Kyle.
»Wir gehen ja, mein Schatz.«
Es kam zu einem kleinen Gerangel, bei dem Denise seine Hand von ihren Shorts abklaubte und er wieder zupacken wollte. Sie nahm seine Hand in ihre, damit er aufhörte.
Taylor unterdrückte ein Lachen und räusperte sich Stattdessen. »Na, ich will Sie nicht länger aufhalten. Ein kräftiger Junge braucht was zu essen.«
»Ja, da haben Sie wohl Recht.«
Sie warf Taylor den typischen Blick einer erschöpften Mutter zu und war seltsam erleichtert, dass ihm Kyles Verhalten nicht weiter auffiel.
»Es hat mich gefreut, dass wir uns getroffen haben«, sagte sie noch. Auch wenn es etwas inhaltslos klang und zu der üblichen Unterhaltung – »Hallo, wie geht's? Wie schön. Nett, Sie zu sehen.« – gehörte, hoffte sie, dass er merken würde, dass sie es aufrichtig meinte.
»Mich auch«, sagte er. Wie zuvor legte er seine Hand auf Kyles Fahrradhelm und schuckelte ihn ein wenig. »Mach's gut, kleiner Mann.«
Kyle winkte mit
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