Das Schweigen des Glücks
allem kreisten seine Gedanken um den Fahrer. Ob er eingeklemmt war? Konnte man ihn bewegen, ohne ihm weitere Verletzungen zuzufügen? Würde er ihn aus dem Auto hieven können, ohne dass es abstürzte?
Die Leiter wurde Zentimeter für Zentimeter vorgeschoben, jetzt war sie schon fast über dem Auto. Es fehlten noch drei, vier Meter. Taylor spürte, wie die Leiter zu schwanken begann und unter ihm knarrte wie eine alte Scheune im Sturm.
Drei Meter. Er konnte jetzt mit ausgestrecktem Arm die Motorhaube des Tankwagens berühren.
Zwei Meter.
Taylor spürte die Hitze der Flammen und sah, wie sie an dem zerborstenen Autodach hochzüngelten. Die Leiter wurde weiter ausgefahren, sie schaukelte jetzt heftiger.
Anderthalb Meter noch. Er war über dem Auto… fast über der Windschutzscheibe.
Und dann blieb die Leiter mit einem heftigen Vibrieren stehen. Taylor, bäuchlings auf der Leiter, warf über seine Schulter einen Blick zurück, um zu sehen, was passiert war. Der Ausdruck auf den Gesichtern der Feuerwehrleute sagte ihm, dass die Leiter in voller Länge ausgefahren war und er damit zurechtkommen musste.
Die Leiter geriet heftig ins Wanken, als er das Seil löste, mit dem er selbst an der Leiter gesichert war. Er packte den Sicherungsgurt für den Fahrer und robbte Millimeter für Millimeter voran, über die letzten drei Sprossen hinweg. Die brauchte er, um sich über der Windschutzscheibe in Position zu bringen und so weit herabzulassen, dass er an den Fahrer herankam.
Trotz des Chaos um ihn herum, war er, als er sich weiter nach vorn schob, von der unwahrscheinlichen Schönheit des Abends ergriffen. Wie ein Traum hatte sich der Abendhimmel vor ihm geöffnet – die Sterne, der Mond, die hauchigen Wolken… und da drüben eine Libelle am Abendhimmel. Fünfundzwanzig Meter unter ihm hatte das Wasser die Farbe von Kohle, so schwarz wie die Zeit, und fing doch irgendwie das Licht der Sterne auf. Er konnte seinen eigenen Atem hören und das Klopfen seines Herzens in der Brust, während er sich millimeterweise nach vorn bewegte. Die Leiter wippte unter ihm und schwankte bei jeder seiner Bewegungen.
Er robbte sich vor wie ein Soldat im Gras und hielt sich an den kalten Metallsprossen fest. Hinter ihm räumten die letzten Fahrzeuge die Brücke. In der Totenstille konnte Taylor die Flammen unter sich sehen, die aus dem Truck herausflackerten – als plötzlich, ohne Warnung, das Auto unter ihm zu schaukeln anfing.
Die Schnauze des Fahrzeugs senkte sich und kam wieder hoch, senkte sich erneut und richtete sich wieder waagerecht aus. Es ging kein Wind. In dem Moment, da er den Grund für die Bewegung begriff, hörte er ein unterdrücktes Stöhnen, einen gedämpften, kaum wahrnehmbaren Laut.
»Nicht bewegen!«, rief Taylor automatisch.
Das Stöhnen wurde lauter und der Honda schaukelte heftiger.
»Nicht bewegen!«, rief Taylor erneut und seine Stimme, der einzige Klang in der Dunkelheit, war voller Verzweiflung. Eine Fledermaus schwebte an ihm vorbei durch die Abendluft.
Abermals hörte er das Stöhnen, das Auto neigte sich, die Schnauze zeigte gen Fluss, bevor sie sich wieder hob.
Taylor arbeitete schnell. Er sicherte sein Seil an der letzten Sprosse und schlang den Knoten so geschickt wie jeder Seemann. Er zog die Beine an und zwängte sie zwischen den Sprossen hindurch, wobei er sich bemühte, sich so flüssig und ruhig wie möglich zu bewegen. Die Leiter ging auf und ab wie eine Wippe; sie knarrte, quietschte und krachte, als würde sie gleich entzweibrechen. Er setzte sich fest auf die Sprosse, so als wäre er auf einer Schaukel. Eine bessere Position würde er nicht bekommen. Mit der einen Hand hielt er sich an dem Seil fest, die andere streckte er langsam zu dem eingeschlossenen Fahrer herunter, wobei er die Belastbarkeit der Leiter prüfte. Er schob seinen Arm durch die zersplitterte Windschutzscheibe zum Armaturenbrett und merkte, dass er zu hoch war, aber er konnte die Person, die zu retten war, sehen.
Es war ein Mann zwischen zwanzig und dreißig, ungefähr so groß wie er selbst. Anscheinend war er nicht richtig bei Bewusstsein; er schlug wild mit den Armen um sich und bewegte die Beine, wodurch das Auto wieder heftig ins Schaukeln geriet. Dass der Mann sich rührte, war eine doppelschneidige Sache: Einerseits hieß es, dass er wahrscheinlich aus dem Wagen geholt werden konnte, ohne dass eine Wirbelsäulenverletzung zu befürchten war, andererseits bedeutete es, dass das Auto durch die ruckartigen
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