Das Schweigen des Glücks
Motor explodiert, aber die Sicherheitsschicht um die Tanks hatte gehalten, so dass das Feuer relativ leicht unter Kontrolle gebracht werden konnte.
»Du hättest nicht loszulassen brauchen, du hättest es geschafft.«
Schon während Mitch sprach, war er sich nicht sicher, ob das stimmte. Nachdem Taylor losgelassen hatte, waren die Feuerwehrleute aus ihrer momentanen Erstarrung erwacht und hatten angefangen, das Kabel einzuholen. Ohne Taylors Gewicht hatte die Leiter genügend Stabilität, so dass man den Fahrer durch das Dach nach oben ziehen konnte. Und das ging gut, ohne dass er sich verhakte – so wie Taylor vorausgesagt hatte. Als er aus dem Auto raus war, wurde die Leiter herumgeschwungen, weg von dem verunglückten Tankwagen, und zur Brücke hin gedreht. In dem Moment, da die Leiter auf der Brücke ankam, explodierte der Motor, weiße und gelbe Flammen schossen hoch und zuckten in alle Richtungen. Das Auto wurde fortgeschleudert und folgte Taylor in die Fluten. Taylor hatte diese Möglichkeit vorausgesehen und sich wohlweislich unter der Brücke in Sicherheit gebracht, sobald er im Wasser gelandet war. Aber auch so war das Auto ganz in seiner Nähe aufgeschlagen, zu nah.
Als es ins Wasser schoss, wurde Taylor von dem Sog nach unten gezogen und dort ein paar Sekunden lang festgehalten und dann noch ein paar Sekunden. Er wurde wild herumgeschleudert – wie ein Kleidungsstück in der Waschmaschine –, aber schließlich konnte er sich an die Oberfläche kämpfen, wo er keuchend nach Atem rang.
Als Taylor zum ersten Mal aus dem Wasser auftauchte, hatte er gerufen, dass er gut gelandet war. Als das Auto in die Tiefe stürzte und er nur knapp davongekommen war, hatte er wieder gerufen. Aber als er ans Ufer geschwommen war, spürte er Schwindel und Übelkeit; die Ereignisse der letzten Stunde hatten ihn alle seine Kräfte gekostet.
Joe wusste nicht, ob er wegen des Sprungs zürnen oder ob er erleichtert sein sollte, weil alles gut ausgegangen war. Dem Fahrer ging es dem Anschein nach gut und Joe schickte Mitch zum Fluss runter, um nach Taylor zu sehen.
Als Mitch ihn fand, hatte Taylor die Beine angezogen und Hände und Kopf auf die Knie gelegt. Er hatte sich nicht gerührt, seit Mitch sich neben ihn gesetzt hatte.
»Du hättest nicht springen sollen«, hatte Mitch schließlich gesagt, aber Taylor hatte nicht geantwortet.
Taylor hob schwerfällig den Kopf und wischte sich das Wasser vom Gesicht. »Es sah einfach gefährlich aus«, sagte er tonlos.
»Es war ja auch gefährlich. Aber ich meine das Auto, das hinterherkam. Es hätte dich erschlagen können.«
Ich weiß…
»Deswegen bin ich unter die Brücke geschwommen«, sagte er.
»Und wenn es eher gefallen wäre? Wenn der Motor zwanzig Sekunden eher explodiert wäre? Wenn du irgendwo aufgeschlagen wärst, Herrgottnochmal?«
Was dann?
Dann wäre ich jetzt tot.
Taylor schüttelte stumm den Kopf. Er wusste, dass er diese Fragen beantworten müsste, wenn Joe sie ihm stellte. »Ich wusste nicht, was ich sonst machen sollte«, sagte er.
Mitch sah ihn besorgt an, denn er hörte den tonlosen Klang seiner Stimme. Er kannte diesen Anblick, die Benommenheit eines Menschen, der wusste, dass er Glück hatte, noch am Leben zu sein. Er bemerkte Taylors zitternde Hände und klopfte ihm auf den Rücken. »Ich bin froh, dass es gut gegangen ist.«
Taylor nickte; er war zu müde zum Sprechen.
Kapitel 17
S päter am selben Abend, als die Situation auf der Brücke vollständig unter Kontrolle war, setzte Taylor sich in sein Auto und fuhr nach Hause. Wie erwartet hatte Joe all die Fragen gestellt, die auch Mitch gestellt hatte, und darüber hinaus noch weitere, und war mit ihm jede Entscheidung und die Gründe dafür mehr als einmal durchgegangen. Obwohl Joe so aufgebracht war, wie Taylor ihn noch nie gesehen hatte, gab Taylor sich alle Mühe, ihn davon zu überzeugen, dass er nicht leichtsinnig gehandelt hatte. »Hör zu«, sagte er schließlich, »ich wollte nicht springen. Aber wenn ich nicht gesprungen wäre, hätte es keiner von uns geschafft.«
Darauf hatte Joe keine Antwort.
Taylors Hände hatten aufgehört zu zittern und seine Nerven hatten sich allmählich wieder beruhigt, aber er war völlig erschöpft und fror, als er auf den stillen ländlichen Straßen nach Hause fuhr.
Wenige Minuten später stieg Taylor die rissigen Betonstufen zu dem kleinen Haus hoch, das er sein Zuhause nannte. Bei seinem hastigen Aufbruch hatte er die Lichter angelassen, so dass es
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