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Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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sich. Ich frage mich, wieso. Und ich frage mich auch, warum meine Eltern geheiratet haben. Ich glaube, geliebt haben sie einander nie. Bei uns zu Hause gab es keine Liebe. Und ich war nichts weiter als ein zufälliges Ergebnis ihrer Lebensumstände.
    Eigenartig: Ich will dir so viel erzählen und starre nur vor mich hin und verzettele mich in Gedankengängen, bei denen Freud das Wasser im Mund zusammengelaufen wäre. Vielleicht weil die Beziehung zwischen meinem Vater und mir an allem schuld ist. Vielleicht, weil ich an seinem Tod schuld bin.
    Einmal, da war ich schon etwas größer und hatte imArbeitszimmer meines Vaters unbemerkt den Platz zwischen Sofa und Wand erobert und zur Behausung meiner Cowboys und Indianer gemacht, kam mein Vater herein, gefolgt von einer vertrauten Stimme, die mir aber in diesem Augenblick vertraut und furchterregend zugleich klang. Zum ersten Mal hörte ich Senyor Berenguer außerhalb des Ladens, und er klang anders; und seither habe ich seine Stimme weder im Laden noch außerhalb des Ladens gemocht. Ich verhielt mich still, legte Sheriff Carson auf den Boden, und das braune Pferd von Schwarzer Adler, sonst so lautlos, fiel mit einem leisen Geräusch um, was mich zusammenzucken ließ, vom Feind jedoch gar nicht wahrgenommen wurde, und mein Vater sagte, ich bin Ihnen keine Rechenschaft schuldig.
    »Ich glaube schon.«
    Senyor Berenguer setzte sich aufs Sofa, das sich dabei ein Stückchen näher zur Wand schob, und ich sah mich heldenmütig eher zerquetscht als entdeckt. Ich hörte, wie Senyor Berenguer mehrmals auf etwas klopfte, und die frostige Stimme meines Vaters, die sagte, in diesem Haus ist das Rauchen verboten. Dann sagte Senyor Berenguer, er verlange eine Erklärung.
    »Sie arbeiten doch für mich«, entgegnete mein Vater spöttisch. »Oder etwa nicht?«
    »Ich habe zehn Stiche aufgetrieben und dafür gesorgt, dass die Geprellten nicht allzu laut aufjaulen. Ich habe diese zehn Stiche über drei Grenzen geschafft, ich habe auf meine Kosten Gutachten erstellen lassen, und jetzt erzählen Sie mir, Sie hätten sie verkauft, ohne mich zu fragen. Einer war ein Rembrandt, wissen Sie das?«
    »Kaufen und verkaufen. Damit finanzieren wir unsere beschissene Existenz.«
    Beschissene Existenz hatte ich noch nie gehört, und es gefiel mir; mein Vater sprach es mit zwei B: bbeschissene Existenz, vermutlich weil er so aufgebracht war. Ich wusste, dass Senyor Berenguer schmunzelte; damals verstand ich mich bereits darauf, Gesprächspausen zu deuten, und ich war sicher, dass Senyor Berenguer schmunzelte.
    »Ach, hallo, Senyor Berenguer.« Das war die Stimme meiner Mutter. »Hast du den Jungen gesehen, Fèlix?«
    »Nein.«
    Alarmstufe eins. Wie konnte ich mich hinter dem Sofa hervorstehlen, in einem anderen Teil der Wohnung verschwinden und so tun, als hätte ich nichts mitbekommen? Ich beriet mich mit Sheriff Carson und Schwarzer Adler, aber die konnten mir auch nicht weiterhelfen. Unterdessen schwiegen die beiden Männer, wahrscheinlich weil sie darauf warteten, dass meine Mutter das Zimmer verließ und die Tür zumachte.
    »Auf Wiedersehen.«
    »Auf Wiedersehen, Senyora.« Und wieder im bitteren Ton der vorigen Diskussion: »Ich fühle mich betrogen. Ich verlange eine Sonderprovision.« Schweigen. »Darauf bestehe ich.«
    Um mich zu beruhigen, übersetzte ich das Gespräch im Geist ins Französische, in ein ziemlich frei erfundenes Französisch, demnach müsste ich damals ungefähr sieben gewesen sein. Ich tat das manchmal, wenn ich mich zusammenreißen musste, denn wenn ich nervös wurde, bekam ich unkontrollierbare Zuckungen, und in der Stille des Arbeitszimmers hätte man die kleinste Bewegung wahrgenommen. Moi, j’exige ma comission. C’est mon droit. Vous travaillez pour moi, monsieur Berenguer. Oui, bien sûr, mais j’ai de la dignité, moi!
    Vom anderen Ende der Wohnung rief meine Mutter, Adrià! Lola Xica, hast du ihn gesehen? Dieu sait où est mon petit Hadrien!
    Ich erinnere mich nicht mehr genau, aber ich glaube, Senyor Berenguer war ziemlich verärgert, als mein Vater ihn mit den Worten fortschickte, das ist doch ein Streit um des Kaisers Bart, was ich nicht übersetzen konnte. Nichts wünschte ich mir mehr, als dass mich meine Mutter ein einziges Mal mon petit Hadrien genannt hätte.
    Jedenfalls konnte ich jetzt mein Versteck verlassen. Während mein Vater seinen Besucher zur Tür brachte, hatte ich Zeit genug, alle Spuren zu beseitigen; dank des Partisanenlebens, das ich zu

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