Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
Vom Netzwerk:
Übersetzung ins Deutsche, aufgrund derer ich Ergänzungen im Original vornahm, Kameneks Anmerkungen zu meiner Übersetzung, die wiederum dazu führten, dass ich manches stärker nuancieren und umformulieren musste, das alles versetzte mich in einen höchst reizbaren Zustand. Ich hatte Angst, ich könnte mit meinem Buch zufrieden sein. Ich habe dir oft gesagt, Sara, dass dieses das Buch ist, das mir am besten gefällt; ich weiß nicht, ob es das beste ist, jedenfalls ist es das, das mir am besten gefällt. Und einem dringenden Bedürfnis meiner unglücklichen Seele folgend, unter der du so sehr gelitten hast, spielte Adrià Ardèvol damals, als Sara Ruhe in mein Leben brachte und Laura tat, als würde sie mich nicht kennen, stundenlang wie besessen auf seiner Storioni, um irgendwie seiner inneren Unruhe Herr zu werden. Er entsann sich der schlimmsten Momente mit der Trullols und der unangenehmsten mit Maestro Manlleu, und nach einigen Monaten lud er Bernat ein, um gemeinsam die Sonaten Opus 3 und 4 von Jean-Marie Leclair zu spielen.
    »Warum Leclair?«
    »Ich weiß nicht. Ich mag die Stücke. Und ich habe sie einstudiert.«
    »Sie sind nicht so leicht, wie sie aussehen.«
    »Aber willst du es nun versuchen oder nicht?«
    Zwei Monate lang klangen die Geigen der beiden Freunde freitags nachmittags durch das Haus. Und die Woche über probte Adrià nach dem Schreiben sein Repertoire. Wie vor dreißig Jahren.
    »Dreißig?«
    »Oder fünfundzwanzig. Aber dich kann ich nicht mehr einholen.«
    »Das fehlte gerade noch. Immerhin habe ich nie etwas anderes getan.«
    »Ich beneide dich.«
    »Mach dich nicht lustig über mich.«
    »Ich beneide dich. Ich würde gern so spielen können wie du.«
    Im Grunde genommen wollte Adrià von Der ästhetische Wille loskommen. Er wollte zu den Kunstwerken zurückkehren, die die Reflexionen seines Buches ausgelöst hatten.
    »Ja, aber wieso Leclair? Wieso nicht Schostakowitsch?«
    »Dafür bin ich nicht gut genug. Was glaubst du wohl, worum ich dich beneide?«
    Und die beiden Geigen, jetzt eine Storioni und eine Thouvenel, erfüllten die Wohnung mit Sehnsüchten, als könnte das Leben noch einmal von vorn beginnen, als wollte es uns eine neue Chance geben. Mir eine auf andere Eltern, bessere … Ich weiß nicht genau. Und dir?
    »Was?« Bernat, dessen Bogen zu stramm gespannt war, versuchte, meinem Blick auszuweichen.
    »Bist du glücklich?«
    Bernat stimmte die Sonate Nummer 2 an, und mir blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Doch als wir fertig waren (nach drei monumentalen Fehlern meinerseits und nur einem Rüffel von Bernat), nahm ich den Faden wieder auf.
    »Sag schon.«
    »Was?«
    »Ob du glücklich bist.«
    »Nein, und du?«
    »Auch nicht.«
    Mit der nächsten Sonate, der Nummer 1, kam ich noch weniger zurecht, doch wir schafften es ohne Unterbrechung bis zum Schluss.
    »Wie geht es dir mit Tecla?«
    »Gut. Und dir mit Sara?«
    »Gut.«
    Schweigen. Nach einer guten Weile: »Na ja …, Tecla … Ich weiß nicht, aber sie ist ständig sauer auf mich.«
    »Weil du in einer anderen Welt lebst.«
    »Das musst gerade du sagen.«
    »Stimmt, aber ich bin nicht mit Tecla verheiratet.«
    Danach versuchten wir uns an Wieniawskis Etudes-Caprices Opus 18. Der arme Bernat, der die erste Geige übernahm, war am Ende schweißgebadet, und ich war glücklich, obwohl er mich an drei Stellen so herb kritisiert hatte, wie ich in Tübingen mit seinen Texten umgangen war. Ich beneidete ihn unendlich und konnte nicht umhin, ihm zu sagen, ich würde meine Schriftstellerei gern gegen deine musikalische Begabung eintauschen.
    »Und ich würde auf diesen Handel eingehen. Mit dem größten Vergnügen, weißt du?«
    Besorgniserregend war vor allem, dass wir nicht in Gelächter ausbrachen. Wir sahen lediglich zur Uhr, weil es allmählich spät wurde.
    Tatsächlich wurde es, wie der Doktor schon vermutet hatte, eine kurze Nacht, denn bereits um sieben Uhr, noch bei Dunkelheit, traf die erste Ladung ein.
    »Die da«, sagte Doktor Budden zu Oberscharführer Barabbas, »und diese beiden.« Damit wandte er sich ab und ging zurück in sein Labor, weil dort eine Unmenge Arbeit auf ihn wartete. Aber auch, weil es ihn wütend machte, zu sehen, wie die Kolonne von Frauen und Kindern geordnet weiterrückte, wie Schafe, ohne eine Spur von Würde, ohne jegliches Aufbegehren.
    »Nein, lasst sie in Ruhe!«, sagte eine alte Frau, die einen Gegenstand, eine Art Geigenkasten im Arm hielt wie einen Säugling.
    Doktor Budden

Weitere Kostenlose Bücher