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Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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Schönheit, Teclas Schönheit …, sollten die in diese Art von Überlegungen nicht auch einbezogen werden?
    »Ich denke schon«, erwiderte Bernat bedächtig. »Die weibliche Schönheit ist eine unstrittige Tatsache, nicht wahr?«
    »Die Vivancos würde das als sexistische Äußerung bezeichnen.«
    »Das weiß ich nicht.« Bernat hielt verwirrt inne. »Früher war es spießbürgerlich, so etwas zu sagen, heute ist es sexistisch.« Und leiser, damit ihn kein Richter hörte: »Aber ich mag Frauen. Sie sind schön, daran ist nicht zu rütteln.«
    »Ja. Aber ich weiß nicht, ob ich davon sprechen soll.«
    »Übrigens, wer ist die schöne Laura?«
    »Wer?«
    »Diese Laura, die du eben erwähnt hast.«
    »Nein, ich habe an Petrarca gedacht.«
    »Wird das ein Buch?«, fragte Bernat und zeigte auf die Papiere, die auf dem Tisch lagen, als warteten sie darauf, dass er sie gründlich unter seines Vaters Lupe nähme.
    »Ich weiß es nicht. Bisher sind es dreißig Seiten, und ich habe meinen Spaß daran, mich langsam durchs Dunkel zu tasten.«
    »Wie geht es Sara?«
    »Gut. Sie gibt mir innere Ruhe.«
    »Ich habe dich gefragt, wie es ihr geht, nicht, welchen Einfluss sie auf dich hat.«
    »Sie hat viel Arbeit. Actes Sud hat sie mit der Illustration einer zehnbändigen Bücherserie beauftragt.«
    »Aber wie geht es ihr?«
    »Gut. Warum?«
    »Weil sie manchmal traurig wirkt.«
    »Es gibt Schwierigkeiten, die auch mit Liebe nicht zu beheben sind.«
    Zehn oder zwölf Tage später geschah das Unvermeidliche. Ich unterhielt mich mit der Parera, und plötzlich fragte sie,sag mal, wie heißt eigentlich deine Frau? Und im selben Augenblick kam Laura herein, bepackt mit einem Stoß Akten, und hörte genau, wie die Parera fragte, sag mal, wie heißt eigentlich deine Frau? Und ich schlug resigniert die Augen nieder und sagte, Sara, sie heißt Sara. Laura warf den Aktenstapel zu dem Durcheinander auf ihrem Tisch und setzte sich.
    »Sie ist hübsch, nicht wahr?«, fragte die Parera weiter, als wollte sie mit einem Messer in meinem Herzen stochern. Oder in Lauras.
    »Mm-mh.«
    »Seid ihr schon lange verheiratet?«
    »Nein, eigentlich nicht …«
    »Na ja, aber ihr lebt schon lange zusammen.«
    »Noch nicht so lange.«
    Hier endete das Verhör, aber nicht, weil die KGB-Funktionärin keine weiteren Fragen gehabt hätte, sondern weil sie zum Unterricht musste. Eulaliewna Parerowa verließ das Büro, und ehe sie die Tür schloss, sagte sie, pass auf sie auf, heutzutage ist alles so …
    Und sanft zog sie die Tür hinter sich zu, ohne dass sie es für nötig hielt, genauer zu erläutern, was heutzutage wie war. Da stand Laura auf, legte die Hand auf eine Seite ihres stets von Akten, Arbeiten, Büchern, Notizen und Zeitschriften überfüllten Tisches und fegte alles mit großem Getöse zu Boden. Adrià blickte sie betroffen an. Sie setzte sich, ohne ihn anzusehen. In diesem Moment klingelte das Telefon. Laura ging nicht dran, und nichts auf der Welt macht mich so nervös wie ein klingelndes Telefon, das niemand abnimmt. Ich ging zu meinem Tisch und griff nach dem Hörer.
    »Hallo? Ja, Augenblick, bitte. Für dich, Laura.«
    Sie starrte ins Leere und machte keine Anstalten, das Gespräch entgegenzunehmen, während ich mit dem Hörer in der Hand dastand. Ich hielt ihn mir wieder ans Ohr: »Sie ist gerade nicht da.«
    Da griff Laura nach ihrem Telefon und sagte, ja, bitte? Ich legte auf, und sie sagte, hallo, meine Liebe, was treibst du?, undlachte perlend. Ich schnappte meinen Text über Kunst und Ästhetik, der noch keinen Titel hatte, und flüchtete.
    »Ich muss mich dann mal auf den Heimweg machen«, sagte Doktor Budden, indem er sich erhob und seine makellose Obersturmführeruniform zurechtzupfte. »Morgen haben wir Neuzugänge.« Lächelnd sah er den Lagerkommandant Höß an und, wohlwissend, dass der ihn nicht verstehen würde, fügte er hinzu: »Kunst kann man nicht erklären. Allenfalls könnte man einen Liebesbeweis des Künstlers für die Menschheit darin sehen. Meinen Sie nicht auch?«
    Er verließ das Haus des Lagerkommandanten in der Gewissheit, dass dieser seinen Worten lange nachhängen würde, während er von draußen noch leise das Finale vom Trio Opus 100 des seraphischen Schubert durch die Kälte hörte. Ohne diese Musik wäre das Leben schrecklich, hätte er seinem Gastgeber sagen sollen.
    Als ich mit der Niederschrift von Der ästhetische Wille so gut wie fertig war, begann eine schwierige Zeit für mich. Die Korrekturfahnen, die

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