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Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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dir nicht schon früher davon erzählt habe.
    Nach einem Monat sehr harter Arbeit nahm Doktor Konrad Budden seine Brille ab und rieb sich die Augen. Er war erschöpft. Als er das Hackenknallen hörte, hob er den Kopf. Oberscharführer Barabbas stand vor seinem Schreibtisch stramm, stocksteif, allzeit bereit, in Erwartung seiner Befehle. Mit müder Geste wies der Doktor auf die dicke Akte mit dem deutlich lesbaren Namen Doktor Aribert Voigt, und der Oberscharführer nahm sie an sich. Als sein Untergebener erneut die Hacken zusammenschlug, zuckte der Doktor zusammen, als wären sie gegen seinen Kopf geknallt. Barabbas verließ das Büro mit dem detaillierten Bericht, aus dem hervorging, dass das Experiment zur Regeneration der Kniescheibensehne – das darin bestanden hatte, die Sehne freizulegen, zu durchtrennen, Doktor Bauers Salbe aufzutragen und zu beobachten, ob ohne zu nähen der Heilungsprozesseinsetzte – bedauerlicherweise sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern gescheitert war. Bei Älteren war damit zwar zu rechnen gewesen, jedoch hatte man erwartet, dass die Wirkung auf den noch im Wachstum befindlichen Organismus spektakulär sein würde. Mit diesem Fehlschlag musste auch die Hoffnung begraben werden, die Menschheit mit einem neuen Wundermittel zu beglücken. Schade, denn wenn sich herausgestellt hätte, dass es funktionierte, hätten Bauer, Voigt und er selbst, abgesehen von ihrem Triumph, unvorstellbaren Profit daraus geschlagen.
    Noch nie hatte es ihm so widerstrebt, ein Experiment für beendet zu erklären. Nachdem er monatelang den winselnden Versuchskaninchen zugesehen hatte – wie dem dunkelhäutigen Jungen oder dem kleinen Albino, der, zusammengekauert in seinem Bett, immer Tėve, Tėve, Tėve gebrabbelt hatte und nicht aufstehen wollte, sodass sie ihn an Ort und Stelle hatten erledigen müssen, oder die Göre mit dem schmutzigen Lappen, die sich ohne Krücken nicht auf den Beinen halten konnte und, wenn sie nicht sediert war, mit ihrem Gebrüll das ganze Personal verrückt gemacht hatte, als ob die Verantwortung für das Experiment und der gnadenlose Druck seitens seines Vorgesetzten nicht schon Belastung genug gewesen wären, zumal dieser Trottel anscheinend über gute Beziehungen verfügte, denn nicht einmal Höß gelang es, ihn an die Front abschieben zu lassen, damit er endlich aufhörte, ihnen das Leben schwer zu machen – musste er sich damit abfinden, dass es zwecklos war, von der mit Bauer-Salbe behandelten Knorpelmasse eine positivere Reaktion zu erwarten. Sechsundzwanzig Versuchskaninchen, Jungen und Mädchen zusammengezählt, und bei keinem hatten sich die Erwartungen Professor Bauers bestätigt, wie er diesem schweren Herzens mitteilen musste. Und eines schönen Tages verschwand Doktor Voigt mit dem Postflugzeug, ohne ein Wort zu sagen. Seltsamerweise hatte er keinerlei Anweisungen bezüglich der Fortsetzung der Experimente hinterlassen. Doktor Budden wusste warum, als gegen Mittag nach und nach Nachrichten über das alarmierend rasche Vorrücken der Roten Armeeund die geringe Schlagkraft der deutschen Verteidigungsbemühungen eintrafen. Und als oberste medizinische Autorität des Lagers ordnete er ein gründliches Großreinemachen an. Als Erstes verbrachte er mit Barabbas’ Hilfe fünf Stunden damit, Akten und Fotos zu verbrennen und jedes Dokument zu vernichten, aus dem hervorgehen könnte, dass in Birkenau Experimente an kleinen Mädchen durchgeführt wurden, die verzweifelt schmutzige Lappen umklammerten. Keine Spur durfte bleiben von den zugefügten Schmerzen, die zu unvorstellbar waren, um glaubhaft zu sein. Wir müssen alles verbrennen, Barabbas, und der Esel klagte auch noch, so ein Jammer, so viel Zeit, so viel Arbeit, und das alles soll in Rauch aufgehen. Und keiner der beiden dachte an all die vielen Menschen, die kaum zweihundert Meter vom Labor entfernt in Rauch aufgegangen waren. Und irgendwo im Reichsgesundheitsamt mussten die Kopien liegen, die von der Forschungsabteilung dorthin geschickt worden waren, aber wer sollte die jetzt suchen, wo es nur noch darum ging, die eigene Haut zu retten.
    Die Hände noch rußgeschwärzt, trat er im Schutz der Dunkelheit zu den Kaninchen in den Schlafsaal, begleitet von seinem Getreuen Barabbas. Die Kinder lagen alle auf ihren Pritschen. Ohne eine Erklärung verabreichte er jedem von ihnen eine Injektion ins Herz. Nur dem Jungen, der wissen wollte, was das für eine Spritze sei, sagte er, das Mittel werde die Schmerzen in

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