Das Schweigen des Sammlers
Mann stand mittlerweile in der Wohnung, drang aber nicht weiter vor. Caterinas Schweigen verriet sie. Er half nach, indem er den Reißverschluss seiner Mappe öffnete und ein Bündel Fünftausenderscheine herausholte.
»Das bringt das Gedächtnis immer auf Trab, liebe Caterina Fargues.«
»Sieben zwei acht null sechs fünf. Woher wissen Sie meinen Namen?«
»Ich habe Ihnen doch gesagt, ich bin Gutachter.«
Als wäre dies ein unwiderlegbares Argument, trat Caterina Fargues einen Schritt zurück und ließ den netten jungen Mann ein.
»Begleiten Sie mich«, sagte er. Zuvor aber übergab er ihr das Bündel Banknoten, um das sie fest die Finger schloss.
In meinem Arbeitszimmer streifte der junge Mann ein Paar sehr dünne Handschuhe über, Gutachterhandschuhe, öffnete den Tresor mit sieben zwei acht null sechs fünf, nahm die Geige heraus und hörte Caterina sagen, wenn Sie glauben, Sie könnten die Geige mitnehmen, werden Sie mich kennenlernen, und ohne sie anzusehen, gab er zurück, ich habe Ihnen doch gesagt, ich bin Gutachter. Und sie hielt vorsichtshalber den Mund. Er legte die Geige unter meine Lupenlampe, untersuchte das Etikett, las Laurentius Storioni Cremonensis me fecit, und sagte, mille settecento sessantaquattro. Dann blinzelte er Caterina zu, die ihr Gehalt zu rechtfertigen suchte, indem sie ihm nicht von der Seite wich und sicherstellte, dass dieser Gutachter, so nett er auch sein mochte, das Haus keinesfalls mit der Geige in der Hand verließ. Und die ausdrucksvollen grauen Augen hatten jetzt eher etwas Metallisches. Der Gutachter schaute auf das doppelt unterstrichene »Cremonensis«, und sein Herz machte einen solchen Sprung, dass er fürchtete, die dumme Gans könnte es bemerkt haben.
»Va bene, va bene …«, sagte er wie ein Arzt, der seinen Patienten auskultiert hat, sich die Diagnose aber noch vorbehält. Er drehte das Instrument um, strich über das Holz, folgte mit den Fingern den feinen Kratzern, den Wölbungen, der Maserung, wobei er mechanisch »va bene, va bene« vor sich hin murmelte.
»Ist sie wertvoll?« Caterina presste die Hand mit den eng gerollten schuldbeladenen Geldscheinen fest zusammen.
Der Gutachter gab keine Antwort; er roch an der Geige und sog den Geruch des Lacks ein. Oder den des Holzes. Oder des Alters. Oder der Schönheit. Schließlich legte er die Geige sacht auf den Tisch und nahm eine Polaroidkamera aus seiner Aktentasche. Caterina trat zur Seite, um zu verhindern, dass es ein Beweisfoto von ihrer Indiskretion gäbe. Er machte fünf Aufnahmen, wobei er sich Zeit ließ, jede einzelne zum Trocknen durch die Luft schwenkte und mit seinem unentwegten Lächeln ein wachsames Auge auf die Frau hatte und zugleich auf Geräusche aus dem Treppenhaus horchte. Als er fertig war, legte er das Instrument zurück in den Tresor und schloss ihn. Die Handschuhe behielt er an. Caterina war erleichtert. Der nette junge Mann sah sich um. Dann näherte er sich den Regalen und betrachtete das Bord mit den Inkunabeln. Er nickte ein paarmal vor sich hin und sah Caterina zum ersten Mal wieder in die Augen.
»Das wär’s.«
»Entschuldigen Sie, woher haben Sie gewusst, dass ich die Kombination kenne?«
»Das habe ich nicht gewusst.«
Der Mann verließ das Arbeitszimmer und drehte sich so plötzlich nach Caterina um, dass diese gegen ihn stieß. Er sagte:
»Aber jetzt weiß ich, dass Sie wissen, dass ich es weiß.«
Leise und immer noch in Handschuhen ging er aus der Wohnung, verabschiedete sich mit einem kleinen Kopfnicken, das Caterina trotz ihrer Verwirrung hochelegant fand, und zog die Tür hinter sich zu. Sie wissen, dass ich weiß, dass … nein, wie war das noch mal? Als sie wieder allein war, öffnete sie die Faust. Ein Bündel Fünftausendpesetenscheine. Nein: Der erste war ein Fünftausender; die anderen waren …, verdammt, so ein elender Hurensohn, dieser nette Gutachter ist ein Dreckskerl! Sie riss die Tür auf und holte Luft … Was hast du vor, du blödes Huhn? Willst du etwa einem Mann hinterher schreien, den du einfach so in die Wohnung gelassen hast? Wie ein Dieb wird der Herr kommen. Noch hörte sie den gleichmäßigen, festen, fröhlichen Schritt des geheimnisvollen Diebes auf den letzten Treppenstufen, dann war er auf der Straße. Caterina schloss die Tür, schaute auf das Bündel Geldscheine und murmelte, nein, nein, nein, das darf ja wohl nicht wahr sein. Außerdem weiß ich gar nicht, was ich an diesen grauen Augen finden konnte, unter seinen dicken
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