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Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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Aber eines wird immer fehlen: die Wahrheit der erlebten Erfahrung. Die ist durch kein Studium zu ersetzen.«
    Bernat legte die gehefteten Blätter beiseite, schaute seinen Freund an und sagte, und?
    »Sie lässt sich nur durch die Kunst vermitteln; durch das literarische Werk, weil das der gelebten Erfahrung am nächsten kommt.«
    »Alle Achtung.«
    »Ja. Die Poesie ist seit Auschwitz notwendiger denn je.«
    »Das ist ein guter Schlusssatz.«
    »Ja, ich glaube schon. Ich weiß es nicht, aber ich denke, das ist einer der Gründe für das menschliche Beharren auf dem ästhetischen Willen.«
    »Wann erscheint es? Ich kann es kaum noch erwarten, Mann!«
    Einige Monate später erschien Der ästhetische Wille , gleichzeitig auf Katalanisch und auf Deutsch, von mir selbst übersetzt und von Sankt Johannes Kamenek gewissenhaft unter die Lupe genommen. Eine der wenigen Sachen, auf die ich stolz bin, Liebste. Und immer wieder tauchten Geschichten und Landschaften auf, die mir im Gedächtnis haften blieben. Und eines Tages besuchte ich Morral wieder – hinter deinem Rücken und hinter meinem Rücken.
    »Wie viel?«
    »So viel.«
    »So viel?«
    »Ja. Haben Sie Interesse, Doktor?«
    »Für so viel, schon.«
    »Aber wo denken Sie hin! So viel.«
    »So viel.«
    »Also gut, einverstanden: So viel.«
    Diesmal handelte es sich um die Originalhandschrift der Partitur von Granados’ Allegro de concert . In den folgenden Tagen mied ich den Blick Sheriff Carsons und des tapferen Arapaho-Häuptlings Schwarzer Adler.

39
    Franz-Paul Decker sagte, zehn Minuten Pause, weil offenbar die Geschäftsführung wegen einer dringenden Angelegenheit nach ihm verlangte, denn die Geschäftsführung war immer wichtiger als alles andere, sogar als die zweite Probe von Bruckners Vierter. Bernat begann mit dem stillen, schüchternen Hornisten zu plaudern, den Decker den Morgenruf am Anfang des 1. Satzes Bewegt, nicht zu schnell wiederholen ließ, um dem ganzen Orchester vorzuführen, wie ein Horn zu klingen hatte. Und als er dieselbe Stelle zum dritten Mal vorspielen musste, traf er den falschen Ton, was jeder Hornist mehr fürchtet als den Tod. Und alle lachten ein wenig. Decker und der Hornist auch, doch Bernat hatte ein leicht mulmiges Gefühl. Der junge Mann, der erst seit kurzem Mitglied des Orchesters war, immer in seiner Ecke, scheu, die Augen zu Boden gerichtet, blond, klein, etwas mollig, hieß Romain Gunzbourg.
    »Bernat Plensa.«
    »Enchanté. Erste Geige, nicht wahr?«
    »Ja. Na? Wie gefällt dir das Orchester? Abgesehen von den Sperenzchen, die der Maestro von dir verlangt.«
    Es gefiel ihm gut. Er war aus Paris, würde Barcelona gern kennenlernen, doch hatte er es eiliger, auf Chopins mallorquinischen Spuren zu wandeln.
    »Ich begleite dich«, erbot sich Bernat, ohne nachzudenken, wie immer. Ich hatte es ihm schon tausendmal gesagt, überlege dir vorher, was du sagst. Oder sag es nur so dahin; verpflichte dich nicht …
    »Ich habe es ihm versprochen und … Außerdem ist der Junge hier völlig allein und tut mir irgendwie leid.«
    »Nachher bekommst du wieder Zoff mit Tecla, darüber bist du dir doch im Klaren.«
    »Übertreib nicht. Warum sollte ich?«
    Und nach der Probe ging Bernat nach Hause und sagte, hör mal, Tecla, ich fahre mit unserem Hornisten für ein paar Tage nach Valldemossa.«
    »Was?«
    Tecla kam aus der Küche und wischte sich die nach gehackten Zwiebeln riechenden Hände an der Schürze ab.
    »Ich fahre morgen mit Gunzbourg hin, um ihm zu zeigen, wo Chopin gelebt hat.«
    »Und wer zum Kuckuck ist Gunzbourg?«
    »Ein Hornist, hab ich doch schon gesagt.«
    »Was?«
    »Aus dem Orchester. Wir haben zwei freie Tage, und die wollten wir nutzen …«
    »Einfach so? Ohne Bescheid zu sagen?«
    »Ich sage dir doch gerade Bescheid.«
    »Und Llorenç’ Geburtstag?«
    »Ach, du lieber Himmel, daran habe ich gar nicht gedacht. Verflixt. Also …«
    Bernat fuhr mit Gunzbourg nach Valldemossa, sie betranken sich in einem Musiklokal, Gunzbourg erwies sich als ausgezeichneter Improvisationskünstler am Klavier, und Bernat sang, ermutigt vom menorquinischen Gin, ein paar Evergreens, wobei er die Stimme von Mahalia Jackson nachahmte.
    »Warum spielst du Horn?« Das war die Frage, die er ihm hatte stellen wollen, seit er ihn zum ersten Mal sein Instrument auspacken sah.
    »Irgendetwas musste ich halt spielen«, gab Gunzbourg zurück, als sie auf dem Rückweg zum Hotel waren und die Sonne hinter dem roten Horizont aufging.
    »Aber am Klavier

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