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Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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auch aus Freude, ihn im Paradies zu wissen, weil er ein guter Mensch gewesen war. Oder vielleicht war Gottes kleinen Vögeln auch alles ganz egal, und sie sangen, weil es das Einzige war, was sie konnten. Wo bin ich. Fünf Monate im Nebel und nur von Zeit zu Zeit ein Lichtlein, das mich daran erinnerte, dass du exis…
    »Bruder Adrià«, hörte er jemanden hinter sich sagen. Er hob den Kopf. Bruder Julià trat mit flackernder Kerze neben ihn.
    »Wir müssen ihn gleich nach der Matutin beerdigen«, sagte er.
    »Ja, natürlich. Sind die Männer aus Escaló schon da?«
    »Noch nicht.«
    Er stand auf und stellte sich neben den anderen Mönch, den Blick auf den Altar gerichtet. Wo bin ich. Er barg seine schwieligen Hände in den weiten Ärmeln seiner Kutte. Da waren keine Buchfinken oder Grünfinken und auch keine Amseln, Spatzen oder Distelfinken – nur zwei Mönche, die traurig darüber waren, dass nach so vielen Jahren ununterbrochenen klösterlichen Lebens der letzte Tag ihres Konvents gekommen war. Seit vielen Monaten hatten sie nicht mehr gesungen, sondern nur noch rezitiert; den Gesang überließen sie den Vögeln und ihrer unbewussten Fröhlichkeit. Fra Adrià schloss die Augen und murmelte die Worte, die seit Jahrhunderten die große Stille der Nacht durchbrochen hatten: »Domine, labia mea aperies.«
    »Et proclamabo laudem tuam«, erwiderte Bruder Julià im gleichen gemurmelten Tonfall.
    In dieser Weihnachtsnacht, der ersten ohne Missa in Nocte, konnten die beiden Laienbrüder nur die Matutin beten. Deus in adiutorium meum intende. Es war die traurigste Matutin, die in all den Jahrhunderten klösterlichen Lebens je in Sant Pere de Burgal erklungen war. Domine, ad adiuvandum me festina.
    Das Gespräch mit Tito Carbonell verlief unerwartet locker. Während sie die Karte studierten, sagte Tito, er müsse gestehen, dass er ein Feigling sei: Seit über einem Jahr habe er Adrià nicht mehr im Heim besucht.
    »Versuchen Sie doch einfach mal hinzugehen.«
    »Er tut mir zu leid. Ich besitze nicht Ihre Nervenstärke.« Er griff nach der Karte und winkte den Kellner herbei. »Im Übrigen danke ich Ihnen, dass Sie so viel Zeit und Mühe auf ihn verwenden.«
    »Ich halte das für meine Pflicht als Freund.«
    Tito Carbonell führte ihn geschickt durch das Labyrinth der Karte, sie bestellten und tauschten während des ersten Gangs nur ab und zu eine Bemerkung aus. Als die Teller leer waren, wurde das Schweigen leicht unangenehm, bis Tito sich entschloss, es zu brechen.
    »Was wollten Sie eigentlich von mir?«
    »Über Vial sprechen.«
    »Vial? Adriàs Geige?«
    »Ja. Vor ein paar Monaten war ich in Antwerpen bei Herrn Bob Mortelmans.«
    Bei dieser Bemerkung lachte Tito fröhlich: »Ich dachte schon, Sie würden mich nie drauf ansprechen«, sagte er. »Was wollen Sie denn jetzt von mir noch darüber erfahren?«
    Sie warteten, bis der zweite Gang serviert war, und als Bernat dann immer noch schwieg, sah Tito ihn direkt an und sagte: »Ja, es war meine Idee, und ja, sie war brillant. Ich kenne Adrià und wusste, dass es mit Mortelmans Hilfe leichter ginge.« Er zeigte mit dem Messer auf ihn. »Und ich habe mich nicht geirrt!«
    Bernat aß schweigend, sah ihn nur an. Tito Carbonell fuhr fort: »Ja,Senyor Berenguer hat die Geige an den Meistbietenden verkauft; ja, wir haben uns bereichert; schmeckt Ihnen der Stockfisch? Der beste, den Sie je gegessen haben, nicht wahr? Ja, es war ein Jammer, eine so gute Geige wegzuschließen. Wissen Sie, wer sie uns abgekauft hat?«
    »Wer?« Es war nicht zu überhören, dass die Frage wie ein Schrei aus seinem tiefsten Inneren hervorbrach.
    »Joshua Mack.« Tito wartete auf eine Reaktion Bernats, der sich mit schier übermenschlicher Anstrengung beherrschte.
    »Sehen Sie? Zuletzt ist sie doch noch bei einem Juden gelandet.« Er lachte. »Das nenne ich ausgleichende Gerechtigkeit, was?«
    Bernat zählte bis zehn, um zu verhindern, dass er eine Dummheit beging. Um seiner Wut Luft zu machen, sagte er, Sie widern mich an. Tito Carbonell blieb ungerührt.
    »Und es ist mir völlig schnurz, was Mack mit ihr macht. Ich gestehe Ihnen, dass mich bei dieser ganzen Transaktion einzig und allein das Geld interessiert hat.«
    »Aber jetzt werde ich Sie anzeigen«, sagte Bernat und starrte ihnmit zornigem Blick an. »Und bilden Sie sich nicht ein, Sie könnten mich kaufen.«
    Tito Carbonell kaute bedächtig, ganz auf sein Essen konzentriert, tupfte sich mit der Serviette die Lippen ab, trank einen winzigen

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