Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
Vom Netzwerk:
Schluck Wein und lächelte.
    »Ich? Sie kaufen?« Er schnalzte missbilligend mit der Zunge. »Ich habe nicht die Absicht, Ihnen für Ihr Schweigen auch nur einen Cent zu zahlen.«
    »Ich würde ihn auch gar nicht annehmen. Ich tue das zum Gedenken an meinen Freund.«
    »Schwingen Sie lieber nicht so große Reden, Senyor Plensa.«
    »Stört es Sie etwa, dass ich Prinzipien habe?«
    »I wo. Das ist sehr hübsch. Aber Sie sollten wissen, dass ich weiß, was ich wissen muss.«
    Bernat sah ihn an. Tito Carbonell lächelte wieder und sagte, ich bin auch nicht untätig gewesen.
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
    »Seit etwa einem Monat sitzt der Lektor an Ihrem neuen Buch.«
    »Ich glaube nicht, dass Sie das etwas angeht.«
    »Und ob! Immerhin komme ich ja sogar darin vor! Unter anderem Namen und nur in einer Nebenrolle, aber ich komme darin vor.«
    »Woher wissen Sie, dass …«
    Tito Carbonell beugte sich vor, bis sein Gesicht ganz dicht vor Bernats war, und fragte, ist es ein Roman oder eine Autobiographie? Wenn Adrià es geschrieben hat, ist es eine Autobiographie; wenn Sie es geschrieben haben, ist es ein Roman. Ich habe gehört, Sie haben nur minimale Änderungen daran vorgenommen … Schade, dass Sie alle Namen geändert haben. So wird es schwer herauszufinden, wer wer ist. Der einzige Name, den Sie beibehalten haben, ist der von Adrià. Merkwürdig. Aber da Sie so dreist waren, sich den Text anzueignen, müssen wir wohl davon ausgehen, dass es sich um einen Roman handelt. Er schnalzte in gespielter Besorgnis mit der Zunge. »Und das wiederum heißt, dass wir alle nur erfunden sind. Sogar ich!« Kopfschüttelnd tastete er sich ab. »Was soll ich dazu sagen? Das macht mich ärgerlich …«
    Dann legte er, plötzlich ernst, die Serviette auf den Tisch: »Also kommen Sie mir nicht mit Prinzipien.«
    Bernat spürte, wie sein Mund trocken wurde, sodass er den Bissen Stockfisch, an dem er kaute, nicht herunterbrachte. Er hörte sein Gegenüber sagen, ich habe die Hälfte des Gewinns aus dem Verkauf der Geige behalten. Sie hingegen haben das ganze Buch für sich behalten. Adriàs ganzes Leben.
    Tito Carbonell lehnte sich in seinem Stuhl zurück und musterte Bernat aufmerksam. Er fuhr fort: »Ich weiß, dass das Buch, das angeblich von Ihnen stammt, in zwei Monaten erscheinen wird. Jetzt entscheiden Sie, ob wir eine Pressekonferenz einberufen oder es bleiben lassen.«
    Er breitete die Arme aus, wie um zu sagen, die Entscheidung liegt ganz bei Ihnen. Als Bernat sich nicht rührte, sagte er: »Möchten Sie Nachtisch?« Er schnipste dem Kellner zu. »Die machen hier einen sensationellen Flan.«
    Als Bernat Zimmer 54 betrat, hatte Wilson dem im Rollstuhl sitzenden Adrià gerade ein Paar funkelnagelneue Turnschuhe angezogen.
    »Sehen Sie nur, wie hübsch er aussieht«, sagte der Krankenpfleger.
    »Sehr hübsch. Danke, Wilson. Hallo, Adrià.«
    Es war Adrià nicht anzusehen, ob er ihn erkannte. Er schien zu lächeln. Das Zimmer wirkte unverändert, obwohl er schon zu lange nicht mehr hier gewesen war.
    »Ich habe dir das hier mitgebracht«, sagte er.
    Er gab ihm ein dickes Buch. Adrià nahm es ein wenig ängstlich entgegen, dann blickte er zu Bernat auf, ratlos, was er damit anfangen solle.
    »Das habe ich geschrieben«, sagte Bernat. »Kommt frisch aus der Druckerei.«
    »Ach, wie schön«, sagte Adrià.
    »Du kannst es behalten. Und verzeih mir, verzeih mir, verzeih mir.«
    Als Adrià sah, dass der Unbekannte den Kopf senkte und mit den Tränen kämpfte, fing er an zu weinen.
    »Ist es meine Schuld?«
    »Nein, woher denn. Ich weine wegen … wegen Sachen, weißt du.«
    »Verzeihen Sie.« Adrià musterte ihn besorgt. »Ich bitte Sie, Senyor, weinen Sie doch nicht.«
    Bernat zog eine CD-Hülle aus der Tasche, nahm die CD heraus und legte sie in Adriàs Player ein. Er nahm seine beiden Hände und sagte, hör zu, Adrià: Das ist deine Geige. Prokofjew. Das zweite Konzert. Dann erklang die Klage, die Joshua Mack Adriàs Storioni entlockte. Siebenundzwanzig Minuten lang saßen sie beisammen, die Hände ineinandergelegt, und lauschten der gesamten Live-Aufnahme des Konzerts, einschließlich des Beifalls.
    »Ich schenke dir diese CD. Sag Wilson, dass sie dir gehört.«
    »Wilson!«
    »Das muss nicht jetzt sein, ich sage es ihm dann schon.«
    »Junger Maaaann«, rief Adrià.
    Als hätte er sie belauscht und nur darauf gewartet, steckte Wilson den Kopf ins Zimmer.
    »Was gibt’s? Alles klar?«
    »Es war nur … Ich habe ihm diese CD

Weitere Kostenlose Bücher