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Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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nach und nach kehrten die Gedanken zurück und schoben sich zwischen das Schweigen der beiden Männer.

8
    »Aber wir haben keine einzige alte Handschrift!«, rief Bernat aus, als beide vor dem Konservatorium an der Ecke Carrer de Bruc und Carrer de València standen und überlegten, ob sie zum einen oder zum anderen nach Hause gehen sollten, wobei sie ihre Entscheidung jeweils auf halber Strecke wieder änderten.
    »Trotzdem.«
    »Und unsere Wohnung ist klein im Vergleich zu deiner.«
    »Ja. Und was ist mit eurer tollen Terrasse?«
    »Ich hätte lieber einen Bruder.«
    »Ich auch.«
    Schweigend gingen sie weiter, jetzt wieder in Bernats Richtung, ehe sie kehrtmachen und zum zweiten Mal Adriàs Haus ansteuern würden, um so den Zeitpunkt der Trennung hinauszuzögern. Stumm sehnten sie sich nach dem Bruder, den sie nicht hatten, und rätselten, warum Roig, Rull, Soler und Pàmies drei, fünf, vier oder sechs Geschwister hatten und sie kein einziges.
    »Ja, aber bei Rull daheim ist es chaotisch, zu viert in einem Zimmer, mit Stockbetten. Ständig gibt es Geschrei.«
    »Gut, mag ja sein. Aber es ist mehr los.«
    »Ich weiß nicht. Immer ist da ein kleiner Bruder, der dir auf die Nerven geht.«
    »Ja.«
    »Oder ein großer Bruder.«
    »Tja.«
    Adrià versuchte Bernat auch zu erklären, dass Bernats Eltern irgendwie anders seien, ich weiß auch nicht wie, und ihm nicht dauernd im Nacken säßen.
    »Aber wie! Heute hast du noch nicht Geige geübt, Bernat. Und die Hausaufgaben? Hast du nichts auf? Und sieh nur, wie du deine Schuhe ruinierst, es ist ein Kreuz mit dir,du Schlamper, was für ein Schussel du bist. So geht das den lieben langen Tag.«
    »Wenn du wüsstest, wie es bei uns zugeht.«
    »Wie denn?«
    Als sie die Strecke zwischen ihren Häusern zum dritten Mal zurückgelegt hatten, waren sie zu dem Schluss gelangt, dass man unmöglich sagen konnte, wer von ihnen der Unglücklichere war. Aber ich wusste, dass Bernats Mutter mir lächelnd die Tür öffnete, wenn ich ihn besuchte, hallo, Adrià sagte und mir ins Haar griff und es ein bisschen zerzauste. Meine Mutter fragte nicht einmal wie war’s, Adrià, weil mir immer Lola Xica aufmachte, die mich nur in die Wange zwickte, während ansonsten alles still war.
    »Weißt du, deine Mutter singt beim Strümpfestopfen.«
    »Na und?«
    »Meine nicht. Zu Hause ist Singen verboten.«
    »Sag bloß.«
    »So gut wie. Ich bin ein Pechvogel.«
    »Ich auch. Aber du kassierst Einsen und Auszeichnungen.«
    »Dafür kann ich nichts. Das ist ganz einfach.«
    »Red keinen Scheiß.«
    »Na ja, Geige spielen finde ich schwer.«
    »Ich nicht. Aber die Schule, Grammatik, Geographie, Physik und Chemie, Mathe, Naturwissenschaften, das blöde Latein, das schon. Geige spielen ist einfach.«
    Ich kann dir nicht genau sagen, wann das war, aber du verstehst schon, wenn ich sage, dass wir sehr unglücklich waren. Beim Erzählen kommt es mir jetzt eher vor wie die Traurigkeit von Heranwachsenden als die von Kindern. Aber ich erinnere mich genau, dass Bernat und ich dieses Gespräch miteinander führten, während wir zwischen seiner und meiner Wohnung hin und her wanderten und uns nicht stören ließen von dem brodelnden Verkehr in den Carrers València, Llúria, Bruc, Girona und Mallorca im Herzen des Eixample, des Stadtteils, der meine Welt war und, abgesehen von meinen Reisen, immer geblieben ist. Und ich weiß noch, dass Bernat zu allem Überfluss eine elektrische Eisenbahn besaßund ich nicht. Und er lernte Geige spielen, weil er Lust dazu hatte. Und vor allem hatte er Eltern, die fragten, Bernat, was willst du mal werden, wenn du groß bist?, und er durfte sagen, das weiß ich noch nicht.
    »Denk darüber nach«, erwiderte Senyor Plensa in seiner gutmütigen Art.
    »Ja, Vater.«
    Mehr haben sie nicht gesagt, kannst du dir das vorstellen? Bei ihm hieß es, was willst du mal werden, wenn du groß bist, während mein Vater eines Tages zu mir sagte, hör mir gut zu, denn ich sage es nicht zweimal, ich teile dir jetzt mit, was du wirst, wenn du groß bist. Vater hatte mir meinen Weg bis in jede einzelne Kurve vorgezeichnet. Fehlte nur noch, dass Mutter sich einmischte, ich weiß nicht, was schlimmer war. Ich will nicht jammern, ich schreibe dir nur. Aber die Lage spitzte sich so zu, dass es mir irgendwann sogar peinlich war, mit Bernat darüber zu sprechen. Im Ernst. Weil ich ein paar Deutschstunden hatte und nicht alle Hausaufgaben machen konnte, weil die Trullols verlangte, dass ich eineinhalb

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