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Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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Koffer.
    »Dein Vater hat mir verboten, dich zu sehen. Dafür hat er mir das Holz geschenkt.«
    »Achthundert«, hörte er den Franzosen sagen.
    »Nein! Ich liebe dich! Wir lieben uns!«
    »Neunhundertfünfzig.«
    »Ja, wir lieben uns. Aber wenn dein Vater nicht will, dass … Ich kann nicht …«
    »Neunhundert, weil ich in Eile bin.«
    »Lass uns zusammen weglaufen, Lorenzo!«
    »Abgemacht. Neunhundert.«
    »Weglaufen? Wie soll ich Cremona jetzt verlassen, wo ich doch gerade die Werkstatt einrichte.«
    Er war tatsächlich in Eile. Monsieur de La Guitte wollte mit seinen neu erworbenen Instrumenten so bald wie möglich abreisen, denn außer den Gefälligkeiten der brünetten, leidenschaftlichen Carina hielt ihn nichts mehr in Cremona. Das könnte eine gute Geige für Monsieur Leclair sein, dachte er.
    »Richte dir woanders eine ein!«
    »Fern von Cremona? Niemals!«
    »Verräter, Lorenzo! Feigling, Lorenzo! Du liebst mich nicht mehr.«
    »Wenn ich im nächsten Jahr ein paar Aufträge mitbringe, werdet Ihr mir mit dem Preis wohl etwas entgegenkommen«, kündigte La Guitte an.
    »Doch, ich liebe dich, Maria. Von ganzem Herzen. Aber du willst mich nicht verstehen …«
    »Einverstanden, Monsieur de La Guitte.«
    »Es gibt eine andere Frau, nicht wahr? Verräter!«
    »Aber nein! Du kennst doch deinen Vater. Mir sind die Hände gebunden.«
    »Feigling!«
    La Guitte zahlte ohne weitere Einwände. Er war sicher, dass ihm Leclair in Paris, ohne mit der Wimper zu zucken, das Fünffache zahlen würde, und war stolz auf seine Leistung. Schade nur, dass dies die letzte Woche sein würde, die er mit der süßen Carina schlafen konnte.
    Auch Storioni war stolz auf seine Leistung. Und zugleich war er traurig, denn bis zu diesem Moment hatte er nicht bedacht, dass ein Instrument verkaufen hieß, es für immer aus den Augen zu verlieren. Außerdem hatte er wegen dieses Instruments seine Liebe verloren. Ciao, Maria. Feigling. Ciao, Liebste. Du hast dein Wort gebrochen. Ciao, ich werde dich nie vergessen. Du hast mich gegen ein Stück Holz eingetauscht, Lorenzo, meinetwegen kannst du auf der Stelle tot umfallen! Ciao, Maria, du ahnst nicht, wie leid es mir tut. Ich hoffe, dein Holz verfault oder verbrennt. Monsieur Jean-Marie Leclair aus Paris oder Leclair der Ältere oder Onkel Leclair, je nachdem, wer ihn anredete, war noch übler dran,denn abgesehen von dem gewaltigen Preis, den man ihm abverlangte, sollte er kaum Gelegenheit haben, dieses samtige D zu hören, das Bernat jetzt unvorsichtigerweise hatte erklingen lassen.
    Das war eine der vielen Situationen in meinem Leben, in denen ich mich vom Übermut habe hinreißen lassen, denn ich beabsichtigte, Bernats musikalische Überlegenheit zu meinem eigenen Vorteil zu nutzen, und holte zum großen Überraschungsschlag aus. Während ich meinem Freund gestattete, mit den Fingerspitzen die Decke der Storioni zu liebkosen, sagte ich, wenn du mir das Vibrato beibringst, darfst du sie mal mit nach Hause nehmen.
    »Mensch Meier!«
    Bernat lächelte, doch gleich darauf wurde seine Miene wieder ernst, ja bekümmert.
    »Das geht nicht. Das Vibrato kann man nicht lernen, man muss es finden.«
    »Man kann es lernen.«
    »Man muss es finden.«
    »Dann bekommst du die Storioni nicht.«
    »Ich zeige dir das Vibrato.«
    »Jetzt gleich.«
    »Meinetwegen jetzt gleich. Aber dann nehme ich sie mit.«
    »Heute geht es nicht. Ich muss es vorbereiten. Ein andermal.«
    Er schwieg, überlegte, wich meinem Blick aus, dachte an den magischen Klang und traute mir nicht.
    »Ein andermal will nichts heißen. Wann?«
    »Nächste Woche. Versprochen.«
    In meinem Zimmer vor dem Notenständer, Ševcˇiks Tonleitern und Akkorde aufgeschlagen bei der Seite mit der verflixten Übung XXXIX – nach Ansicht der Trullols das geniale Resümee dessen, was ich in meinem Leben vor und nach den Doppelgriffen lernen musste –, spielte Bernat eine halbe Stunde langgezogene Töne mit einem leichten, lieblichen Vibrato, und Adrià beobachtete ihn, stellte fest, dass Bernatdie Augen schloss, um sich auf den Klang zu konzentrieren, dachte, man müsse die Augen schließen, wenn man den Ton zum Vibrieren bringen wolle, versuchte es, schloss die Augen … doch der Ton klang dünn, träge, quakend. Und er presste die Lider fest zusammen, doch der Klang verweigerte sich ihm.
    »Weißt du was? Du bist zu verkrampft.«
    » Du bist verkrampft.«
    »Ich? Wie kommst du darauf?«
    »Ja, wenn du es mir nämlich nicht richtig zeigst, wird nichts

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