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Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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beschlossen hatte, sie Maestro Zosimo zu zeigen.
    Der Mann schaltete die Tischlampe ein und forderte Fèlix Ardèvol auf, sich das Instrument aus der Nähe anzusehen. Laurentius Storioni Cremonensis me fecit siebzehnhundertvierundsechzig, las er laut vor.
    »Und woher weiß ich, dass sie echt ist?«
    »Ich will fünfzigtausend amerikanische Dollar dafür.«
    »Das ist kein Beweis.«
    »Das ist der Preis. Ich bin in Schwierigkeiten und …«
    Fèlix Ardèvol hatte schon viele Leute in Schwierigkeiten erlebt. Aber neunzehnhundertachtunddreißig oder neununddreißig waren die Schwierigkeiten nicht dieselben gewesen wie nun bei Kriegsende. Er gab dem Mann die Geige zurück und fühlte eine große Leere im Herzen, genau wie vor sechs, sieben Jahren, als er die Bratsche von Nicola Galliano in der Hand gehalten hatte. Immer häufiger kam es vor, dass ihm das Stück selbst sagte, es sei wertvoll, und in seiner Hand pulsierte. Das konnte durchaus ein Beweis für die Echtheit sein. Doch wenn so viel Geld im Spiel war, verließ sich Senyor Ardèvol nicht allein auf die innere Eingebung und lyrisches Erschauern. Er besann sich auf seinen kühlen Kopf und stellte ein paar rasche Berechnungen an. Dann lächelte er.
    »Morgen bekommen Sie eine Antwort.«
    Statt einer Antwort wurde es eine Kriegserklärung. Am Abend zuvor hatte er in seinem Zimmer im Hotel Bramante ein Gespräch mit Pater Morlin und einem vielversprechenden jungen Mann namens Berenguer führen können, einem langen, schlaksigen Jungen, der ernsthaft und gründlich und, wie es schien, auf vielen Gebieten bewandert war.
    »Nimm dich in Acht, Ardèvol«, ermahnte ihn Pater Morlin noch einmal.
    »Ich bin ja nicht von gestern, mein Lieber.«
    »Anschein und Wahrheit sind zwei verschiedene Dinge. Mach Geschäfte mit ihm, verdien dir dein Brot, aber demütige ihn nicht, das ist gefährlich.«
    »Ich kriege das schon hin. Das solltest du mittlerweile wissen, oder nicht?«
    Pater Morlin bedrängte ihn nicht weiter, blieb aber für den Rest der Sitzung einsilbig. Berenguer, der vielversprechende junge Mann, kannte drei Geigenbaumeister in Rom, vertraute jedoch nur einem von ihnen, einem gewissen Saverio Sowieso. Die anderen beiden …
    »Bring ihn morgen zu mir.«
    »Wenn Sie mich bitte siezen würden, Senyor Ardèvol.«
    Am folgenden Tag klopften Senyor Berenguer, Fèlix Ardèvol und Saverio Sowieso an der Tür des Mannes mit dem unsteten Blick. Mit einem kollektiven Lächeln traten sie ein, ertrugen mit Fassung den Mief im Zimmer, und Signor Saverio Sowieso verbrachte eine halbe Stunde damit, an der Geige zu schnuppern, sie durch die Lupe zu betrachten und unverständliche Dinge mit ein paar Geräten anzustellen, die er in einem Arztkoffer mitgebracht hatte. Und er spielte darauf.
    »Pater Morlin sagte mir, Sie seien vertrauenswürdig«, sagte Falegnami ungeduldig.
    »Ich bin vertrauenswürdig. Aber ich lasse mich auch nicht an der Nase herumführen.«
    »Der Preis ist nicht zu hoch. Das ist sie wert.«
    »Ich werde Ihnen zahlen, was sie wert ist, nicht, was Sie verlangen.«
    Signor Falegnami nahm ein Notizheft und schrieb etwas hinein. Dann klappte er das Büchlein zu und sah dem gespannten Ardèvol in die Augen. Da es kein Fenster gab, richteten sie ihren Blick auf Dottore Sowieso, der jetzt mit einem Stethoskop in den Ohren sacht das Holz von Decke und Boden abklopfte.
    Gegen Abend verließen sie die elende Behausung. Signor Sowieso ging mit langen Schritten, schaute geradeaus und führte Selbstgespräche. Fèlix Ardèvol beobachtete aus den Augenwinkeln Senyor Berenguer, der tat, als interessierte ihn die ganze Sache nicht. Als sie die Via Crescenzio erreichten, schüttelte Berenguer den Kopf und blieb stehen. Die beiden anderen taten es ihm nach.
    »Was ist?«
    »Nein. Es ist zu gefährlich.«
    »Es ist eine echte Storioni«, sagte Saverio Sowieso hitzig. »Und ich kann Ihnen noch mehr darüber erzählen.«
    »Warum halten Sie es für gefährlich, Senyor Berenguer?« Dieser etwas steif wirkende Mann begann Fèlix Ardèvol zu gefallen.
    »Wenn ein Tier in der Falle sitzt, tut es alles, um wieder herauszukommen. Aber hinterher kann es beißen.«
    »Was wollten Sie noch sagen, Signor Sowieso?«, wandte sich Fèlix kühl an den Geigenbauer.
    »Ich kann noch mehr darüber erzählen.«
    »Dann reden Sie.«
    »Diese Geige hat einen Namen. Sie heißt Vial.«
    »Verzeihung?«
    »Das ist Vial.«
    »Jetzt komme ich nicht mehr mit.«
    »Das ist ihr Name. Sie heißt so. Es gibt

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