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Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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Instrumente, die einen Eigennamen haben.«
    »Und das macht sie wertvoller?«
    »Darum geht es nicht, Signor Ardevole.«
    »Und ob es darum geht. Ist sie also noch mehr wert?«
    »Es ist die erste Geige, die er gebaut hat. Natürlich ist sie wertvoll.«
    »Die wer gebaut hat?«
    »Lorenzo Storioni.«
    »Wie kommt sie zu ihrem Namen?«, erkundigte sich Senyor Berenguer neugierig.
    »Guillaume-François Vial, der Mörder von Jean-Marie Leclair.«
    Signor Sowieso holte zu einer Geste aus, die Fèlix an den heiligen Dominikus erinnerte, wie er von der Kanzel die Unermesslichkeit der göttlichen Güte erklärt. Und Guillaume-François Vial trat einen Schritt aus der Dunkelheit hervor, damit der Insasse der Kutsche ihn sehen konnte. Der Kutscher brachte die Pferde direkt vor ihm zum Stehen, der Schlag öffnete sich, und Monsieur Vial stieg ein.
    »Guten Abend«, sagte La Guitte.
    »Ihr könnt sie mir geben, Monsieur La Guitte. Mein Onkel ist mit dem Preis einverstanden.«
    La Guitte lachte in sich hinein, stolz auf seine gute Nase. Trotzdem vergewisserte er sich: »Wir sprechen von fünftausend Florin.«
    »Wir sprechen von fünftausend Florin«, beruhigte ihn Monsieur Vial.
    »Morgen werdet Ihr die Geige des berühmten Storioni in den Händen halten.«
    »Versucht nicht, mir etwas weiszumachen, Monsieur La Guitte. Storioni ist nicht berühmt.«
    »In Italien, in Neapel, in Florenz spricht man von keinem anderen.«
    »Und in Cremona?«
    »Die Bergonzis und Konsorten sind keineswegs erfreut über die Eröffnung dieser neuen Werkstatt. Jeder sagt, Storioni sei der neue Stradivari.«
    Höflich tauschten sie noch ein paar Floskeln, wie zum Beispiel, vielleicht drückt das endlich die Preise für Instrumente, die sind unerschwinglich. Ja, das kann man wohl sagen. Dann verabschiedeten sie sich. Vial stieg aus La Guittes Kutsche und war sicher, dass es diesmal klappen würde.
    »Mon cher tonton …«, rief er aus, als er früh am Morgen in den Salon platzte. Jean-Marie Leclair hob nicht einmal den Kopf; er betrachtete die Flammen im Kamin. »Mein lieber Onkel«, setzte Vial mit weniger Überschwang noch einmal an.
    Leclair wandte sich halb um. Ohne ihn anzusehen, fragte er, ob er die Geige mitgebracht habe. Vial legte sie auf denTisch. Leclairs Finger griffen sofort nach dem Instrument. Aus einem Gemälde an der Wand trat ein Diener mit verschnupfter Nase und einem Geigenbogen hervor, und Leclair begann anhand von Fragmenten aus drei seiner Sonaten alle Klangmöglichkeiten dieser Storioni ausgiebig zu erforschen.
    »Sie ist sehr gut«, sagte er schließlich. »Wie viel hast du dafür bezahlt?«
    »Zehntausend Florin, plus die Prämie von fünfhundert Goldmünzen, die Ihr mir geben werdet, weil ich dieses Juwel gefunden habe.«
    Mit herrischer Geste jagte Leclair die Diener hinaus. Er legte seinem Neffen die Hand auf die Schulter und lächelte.
    »Du bist ein Schweinehund. Ich weiß nicht, von wem du das hast, du dreckiger Hurensohn, ob von deiner Mutter oder deinem Mistkerl von Vater. Räuber, Erpresser.«
    »Wieso? Aber wenn ich doch …« Blickgefecht. »Einverstanden. Ich verzichte auf die Prämie.«
    »Meinst du etwa, ich traue dir, nachdem du mich jahrelang übers Ohr gehauen hast?«
    »Und warum habt Ihr mich dann beauftragt …«
    »Um dich auf die Probe zu stellen, du schwachköpfiger Sohn einer kranken räudigen Hündin. Diesmal landest du im Gefängnis.« Er machte eine kurze Pause, um dem Folgenden noch mehr Gewicht zu verleihen: »Du ahnst nicht, wie ich mich nach diesem Moment gesehnt habe.«
    »Immer habt Ihr mein Verderben gewollt, Tonton Jean. Ihr seid neidisch auf mich.«
    Leclair sah ihn verwundert an. Nach langem Schweigen: »Und worum sollte ich dich beneiden, du verlauster Dreckskerl?«
    Vial, rot wie eine Tomate, fiel keine Antwort ein. »Lass uns lieber nicht ins Detail gehen«, entgegnete er, um etwas zu sagen.
    Leclair sah ihn verächtlich an.
    »Meinetwegen können wir gern ins Detail gehen: Aussehen? Figur? Talent im Umgang mit Menschen? Charme? Begabung? Moralische Größe?«
    »Das reicht, Onkel Jean.«
    »Es reicht, wenn ich es sage. Intelligenz? Bildung? Reichtum? Gesundheit?«
    Leclair nahm die Geige, spielte ein improvisiertes Pizzicato und betrachtete sie anerkennend.
    »Das ist eine sehr gute Geige, aber sie ist mir scheißegal, verstehst du? Ich wollte dich lediglich hinter Gitter bringen.«
    »Ihr seid ein miserabler Onkel.«
    »Und du bist ein Halunke, den ich endlich entlarven kann. Weißt

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