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Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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du was?« Er lächelte übertrieben breit und näherte sein Gesicht auf eine Handbreit dem seines Neffen. »Die Geige werde ich behalten, aber zu dem Preis, den mir La Guitte nennt.«
    Er zog an der Glockenschnur, und der Diener mit der verschnupften Nase trat zur hinteren Tür herein.
    »Gib dem Kommissar Bescheid. Wenn er will, kann er jetzt kommen.« Zu seinem Neffen: »Setz dich, wir werden auf Monsieur Béjart warten.«
    Sie kamen nicht dazu, sich hinzusetzen. Als Guillaume-François Vial auf dem Weg zu seinem Stuhl am Kamin vorbeikam, packte er den Schürhaken und rammte ihn seinem geliebten Onkel in den Kopf. Jean-Marie Leclair, genannt der Ältere, brach lautlos zusammen, der Schürhaken steckte in seinem Schädel. Blut spritzte auf den hölzernen Geigenkasten. Schwer atmend wischte sich Vial die Hände an seinem Mantel ab und sagte, du ahnst nicht, wie ich mich nach diesem Moment gesehnt habe, Onkel Jean. Er blickte sich um, schnappte die Geige, verstaute sie in dem blutbefleckten Kasten und floh über den Balkon zur Terrasse. Während er am helllichten Tag davonlief, kam ihm der Gedanke, dass er La Guitte einen nicht sehr freundschaftlichen Besuch abstatten sollte.
    »Soweit ich weiß«, fuhr Signor Sowieso fort und stand noch immer mitten auf der Straße, »ist diese Geige dafür bekannt, dass sie nie über längere Zeit gespielt wurde. Wie die Messias von Stradivari, wissen Sie?«
    »Nein«, sagte Ardèvol ungeduldig.
    »Was ich sagen will, ist, dass ihr Wert dadurch noch gesteigert wird. Im selben Jahr, in dem sie hergestellt wurde, verschwand sie spurlos, entwendet von Guillaume-François Vial. Vielleicht hat es Leute gegeben, die auf ihr gespielt haben, aber darüber ist nichts bekannt. Und jetzt finden wir sie hier. Das ist ein Instrument von unschätzbarem Wert.«
    »Das wollte ich hören, verehrter Dottore.«
    »Ist das wirklich seine erste?«, fragte neugierig Senyor Berenguer.
    »Ja.«
    »Ich würde die Finger davon lassen, Senyor Ardèvol. Es ist viel Geld.«
    »Ist sie es wert?«, fragte Fèlix Ardèvol und sah Signor Sowieso an.
    »Ich würde es bezahlen, ohne zu zögern. Wenn ich so viel hätte. Sie hat einen wundervollen Klang.«
    »Ihr Klang ist mir völlig schnurz.«
    »Und einen ungeheuren symbolischen Wert.«
    »Das interessiert mich schon mehr.«
    »Und jetzt bringen wir sie sofort zu ihrem Besitzer zurück!«
    »Aber er hat sie mir geschenkt! Ich schwöre es dir, Papa!«
    Senyor Plensa zog den Mantel an, gab seiner Frau einen unauffälligen Wink mit den Augen, griff nach dem Geigenkasten und befahl Bernat mit einer energischen Kopfbewegung mitzukommen.
    Der stille Leichenzug mit dem winzigen Sarg wurde angeführt von den schwarzen Gedanken Bernats, der den Moment verfluchte, in dem er vor seiner Mutter mit der Geige angeben wollte und ihr eine echte Storioni gezeigt hatte, denn kaum dass der Vater heimkam, hatte die alte Petze gesagt, sieh mal, Joan, was der Junge hat. Und Senyor Plensa hatte sie schweigend gedreht und gewendet und nach einigen Sekunden gesagt, wo zum Himmeldonnerwetter hast du diese Geige her?
    »Sie klingt ganz toll, Papa.«
    »Ja, aber ich will wissen, wo zum Kuckuck du sie herhast.«
    »Joan, bitte!«
    »Komm schon, Bernat. Das ist kein Spiel.« Ungehalten: »Wo hast du sie her?«
    »Nirgendwoher; ich habe sie geschenkt bekommen. Ihr Besitzer hat sie mir geschenkt.«
    »Und wer ist dieser Depp von Besitzer?«
    »Adrià Ardèvol.«
    »Das ist eine Geige der Ardèvols?«
    Schweigen. Die Eltern tauschten einen raschen Blick. Der Vater seufzte, nahm die Geige, legte sie in den Kasten und sagte, jetzt bringen wir sie sofort zu ihrem Besitzer zurück.

13
    Ich öffnete ihr die Tür. Sie war jünger als Mutter, sehr groß, mit sanften Augen, geschminkten Lippen, und kaum erblickte sie mich, sah sie mich so freundlich an, dass sie mir auf Anhieb sympathisch war. Na ja, sie war mir nicht nur sympathisch; um genau zu sein, verliebte ich mich auf der Stelle in sie und bekam eine unbezähmbare Lust, sie nackt zu sehen.
    »Bist du Adrià?«
    Woher wusste sie meinen Namen? Und dieser eigentümliche Akzent.
    »Wer ist da?«, rief Lola Xica aus dem hinteren Teil der Wohnung.
    »Ich weiß nicht«, sagte ich und lächelte die Erscheinung an. Sie lächelte zurück, zwinkerte mir zu und fragte, ob meine Mutter da sei.
    Lola Xica kam in die Diele, und ich entnahm dem Gesichtsausdruck der Erscheinung, dass sie sie für meine Mutter hielt.
    »Das ist Lola Xica«, klärte ich sie

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