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Das Schweigen

Das Schweigen

Titel: Das Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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dunklen Winter. Und
    einen Schlaf und einen Traum. Einen Traum von einer
    Flut, die alles wegschwemmte. Den ganzen Mist. Den
    ganzen Dreck, der ihn nicht mehr interessierte.
    Er ging ins Bad und kontrollierte im Spiegel seine
    Augen. Sie fühlten sich rot an, aber sie waren nicht rot.
    Sie sahen aus wie immer, und das Gesicht im Spiegel
    war das Gesicht eines jung gebliebenen Mittfünfzigers.
    Er ging zurück zum Bett. Er dachte an Marjatta und
    die Kinder. Sie waren wieder zu Hause und schliefen.
    Alles war bestens, mit Ausnahme der Kontrollleuchte in
    Marjattas Auto. Marjatta hatte am Telefon erzählt, dass
    die Leuchte während der Heimfahrt vom Wochenend-
    haus auf halbem Weg angefangen hatte zu blinken. Die-
    ses Blinken hatte sie beschäftigt, und Korvensuo, der
    sich damit ein wenig auskannte, hatte sie beruhigen
    können. Es musste wohl repariert werden, aber es eilte
    nicht.
    Früher am Abend war ihm eingefallen, dass Sonntag
    war und dass Marjatta bestimmt Hämäläinens Talk-Sen-
    dung ansah. Seit Monaten saß er Marjatta zuliebe sonn-
    tags auf dem Sofa und sah sich diese Sendung an. Mar-
    jatta lag in seinem Schoß, und er strich mit den
    Händen über ihren Rücken. Ganz leicht.
    Er hatte kurz überlegt, den Fernseher einzuschalten.
    Zu sehen, was Marjatta sah, aber er hatte es sein lassen.
    Er hatte aufrecht im Bett gesessen, und seine Gedanken
    hatten still gestanden, bis er irgendwann daran gedacht
    hatte, dass er morgen noch einmal bei Marjatta anrufen
    würde. Um Bescheid zu geben, dass sich seine
    Heimkehr verschieben würde. Aus triftigen Gründen.
    Pekka hielt die Stellung im Büro.
    Marjatta war bei den Kindern.
    Die Kinder hatten Ferien.
    Er hatte eine Weile darüber nachgedacht, was er
    morgen tun würde, ohne zu einem Ergebnis zu kom-
    men.
    Er saß auf dem Bett. Draußen schien die Nachtsonne.
    In einem der angrenzenden Zimmer wurde eine Dusche
    eingeschaltet.
    Er schloss die Augen. Das Kissen, auf das sein Kopf
    glitt, fühlte sich weich und kühl an.
    Nichts, dachte er. Gar nichts.
    Das Wasser im Nebenzimmer rauschte und prasselte.
    Kurz bevor er einschlief, dachte er an Pärssinen.
    Netter alter Hausmeister.
    Dann löste sich aus einer dunklen Häuserfront ein
    Mann. Er hatte lockige Haare, ein versteinertes Gesicht
    und ging schnell, er glitt vorwärts wie auf Schienen. Er
    hielt ein Messer in der Hand und kam auf ihn und
    Marjatta zu. Er erklärte Marjatta noch, dass dies ein
    Traum war, dann stach der Lockenkopf zu, und als
    Marjatta in seine Arme sank, begriff er, dass es kein
    Traum war, weil es Träume nicht gab.
    Er erwachte.
    Er richtete sich auf. Die Uhr zeigte fünf. Hinter seiner
    Stirn hingen ein tauber Schmerz und ein ganz bestimm-
    ter Gedanke, Pärssinen betreffend.

11. JUNI

    I

    Elina Lehtinen erwachte früh am Morgen mit Pias Bild.
    Es hatte den ganzen Traum ausgefüllt und löste sich
    auf, als sie die Augen aufschlug.
    Sie spürte noch das Make-up auf der Haut und dachte
    an Ketola, mit dem sie lange gesprochen hatte, über
    Gott und die Welt, bis spät in die Nacht, bis sie in dem
    Cafe neben dem Fernsehsender die letzten Gäste
    gewesen waren.
    Zwei alte Menschen, die viel getrunken hatten. Ver-
    mutlich hatten sie ein merkwürdiges Bild abgegeben.
    Am Ende hatte der Kellner sogar gesagt, dass sie gut zu-
    sammenpassten. Elina hatte gekichert, und Ketola hatte
    der Mund offen gestanden.
    Er werde den Mann zur Strecke bringen, hatte Ketola
    früher an diesem Abend gesagt. Den Mann, der es getan
    habe. Und dass ihm das schon am Tag seiner Verab-
    schiedung klar geworden sei. Dass er es tun müsse. Aus
    Gründen, die er nicht kannte.
    Elina Lehtinen hatte genickt und Ketola nicht verstan-
    den, aber sie hatte sofort gewusst, dass es einen Sinn
    hatte, und sie hatte auch keine Sekunde gezögert, als er
    sie am Mittag nach dreiunddreißig Jahren überfallen
    hatte mit der Frage, ob sie gemeinsam ein Interview gebe
    könnten, im Fernsehen. Natürlich. Hämäläinen. Die
    Sendung mit der Rekord-Einschaltquote, die sie jeden
    Sonntag ansah. Über Pia reden. Hämäläinens Fragen
    beantworten.
    Es gehe darum, hatte Ketola erläutert, die Sache jetzt
    richtig in Bewegung zu bringen, den Mann aus der
    Reserve zu locken, bis er einen Fehler begehe und dann,
    genau in diesem Moment, hatte Ketola mit dieser ru-
    higen, aufgeräumten Stimme gesagt, werde er ihn zur
    Strecke bringen. Natürlich, hatte Elina Lehtinen geant-
    wortet und gesehen, wie draußen ihr Nachbar

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