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Das Schweigen

Das Schweigen

Titel: Das Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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Flecken, die es nicht geben konnte.
    Er fuhr mit dem Aufzug in die Tiefgarage und stieg in
    den Wagen. Die Landstraße war von Sonne überflutet.
    Was für ein großartiger Sommer. Wenn es so weiter
    ging. Was man nie wissen konnte. Beim besten Willen
    nicht.
    Er parkte in Sichtweite des grauen Betonklotzes auf
    einer Anhöhe. Pärssinens Wohnung zwischen Bäumen.
    Das Fenster. Die zugezogenen Jalousien. Der Spielplatz.
    Kinder. Ein Junge und zwei Mädchen. Die Mädchen
    rutschten, der Junge schaukelte.
    Pärssinen war nicht zu sehen.
    Aus dem Wagen steigen, gemächlichen Schrittes lau-
    fen, die Kinder grüßen, an das Fenster klopfen, und ein
    Fremder würde öffnen und sagen: Pärssinen? Nie ge-
    hört. Wer soll das sein?
    Aku. Laura.
    Die Mädchen rutschten, der Junge schaukelte. Wie
    wahnsinnig. Immer höher, bis Korvensuo sicher war,
    dass er sich jeden Moment überschlagen würde.
    Aber das war unmöglich. Das hatte er selbst als
    Kind gelernt. Wie sehr man sich auch anstrengte, man
    würde sich auf einer Schaukel niemals überschlagen
    können.
    Runterfallen konnte man natürlich und sich böse
    wehtun. Das war ihm passiert. Sein Knie hatte geblutet,
    und erst Jahre später hatte ein Arzt gemutmaßt, dass
    sein Meniskusschaden eine Folge dieses Sturzes gewesen
    sei.
    Der Junge bremste ab, sprang unversehrt von der
    Schaukel und schubste eines der Mädchen von der Rut-
    sche. Der Junge rutschte, die Mädchen rannten zur
    Schaukel.
    Pärssinen trat ins Freie und streckte sich. Er rief den
    Kindern etwas zu, das nicht zu verstehen war. Korven-
    suo hörte nur dumpf die Stimme. Pärssinen trottete den
    Weg entlang und verschwand in Richtung des Super-
    marktes.
    Warten, dachte er. Auf Pärssinens Rückkehr warten.
    Eine Frage stellen. Eine Antwort erhalten. Wir sehen
    uns nicht wieder, würde er am Ende sagen.
    Er rief Marjatta an. Sie war mit Aku in der Stadt. Aku
    riss das Handy an sich und fragte, ob er schon auf dem
    Heimweg sei.
    Akus Stimme.
    Ja, dachte er und schwieg.
    Dann erklärte er Marjatta, dass sich die Sache ein
    wenig in die Länge ziehen würde. Ein Tag, vielleicht
    zwei Tage. Er wisse es nicht.
    Marjatta fragte, ob er Hämäläinen gesehen habe, die
    Frau, die Mutter des Mädchens, das damals umgebracht
    worden war, und den Polizisten, der ermittelt hatte.
    Nein, sagte er.
    Pärssinen kehrte zurück. Er hielt in jeder Hand eine
    weiße Plastiktüte. Milch, Zucker, Eier. Pflaumen-
    schnaps.
    Eine Weile bei Pärssinen sitzen. Im Schatten. Alte
    Filme schauen.
    Nein, sagte er, hab ich verpasst. Was haben die denn
    so erzählt?
    Die Frau habe ihr leid getan, antwortete Marjatta.
    Aku wollte ins Kino. Korvensuo wünschte ihnen Spaß
    und schaltete das Handy ab. Er hatte Schüttelfrost.
    Pärssinen war ins Haus gegangen und kehrte nicht
    zurück. Auch der Junge ging irgendwann ins Haus, ver-
    mutlich zum Mittagessen. Die Mädchen fuhren mit
    Fahrrädern weg. Kräftig traten sie in die Pedale. Wie
    Pia Lehtinen.
    »Bereit?« hatte Pärssinen gefragt, und er hatte geant-
    wortet:
    »Was meinst du?«
    Timo Korvensuo saß im Wagen, die Hand an der Tür,
    bereit, auszusteigen. Pärssinen eine allerletzte Frage stellen. Sich verabschieden. Er öffnete die Tür und schloss
    sie wieder. Öffnete sie und schloss sie wieder. Einige
    Male stieg er aus und ging ein Stück. Dann ging er wie-
    der zum Wagen, ließ sich in den Sitz sinken und betrach-
    tete das leere Bild.
    Pia Lehtinen trat kräftig in die Pedale und kam auf
    ihn zu.
    Der Junge kehrte zurück und schaukelte. Wie ein
    Irrer. Bremste ab und holte neuen Schwung. Bremste ab
    und holte neuen Schwung ...
    Timo Korvensuo stieg aus. Erging Schritt für Schritt.
    Der Junge beachtete ihn nicht, bis er sein Jackett im
    Gras ablegte und sich neben den Jungen auf die zweite
    Schaukel setzte.
    »Wollen wir jetzt mal sehen, wer höher kommt?«
    fragte Korvensuo, und der Junge starrte ihn an.
    Korvensuo katapultierte sich in die Höhe. Ein Ste-
    chen im Magen. Er hörte den Jungen lachen.
    Pärssinens Fenster flog vorbei.
    »Komm, schieb mich an!« rief er.
    Der Junge zögerte kurz, und dann warf und schmiss
    er sich gegen die Schaukel. Korvensuo spürte ein Ste-
    chen und Reißen und die Möglichkeit eines Über-
    schlags.
    Pia Lehtinen fuhr weiter. Er stieg aus dem roten
    Kleinwagen, sah ihr nach und spürte Sonne auf der
    Stirn.
    Als es so weit war, ließ er los.
    Der Aufprall fühlte sich weich an.
    »Oh, Mann«, sagte der Junge.
    Korvensuo nahm sein Jackett

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