Das Schweigen
Flecken, die es nicht geben konnte.
Er fuhr mit dem Aufzug in die Tiefgarage und stieg in
den Wagen. Die Landstraße war von Sonne überflutet.
Was für ein großartiger Sommer. Wenn es so weiter
ging. Was man nie wissen konnte. Beim besten Willen
nicht.
Er parkte in Sichtweite des grauen Betonklotzes auf
einer Anhöhe. Pärssinens Wohnung zwischen Bäumen.
Das Fenster. Die zugezogenen Jalousien. Der Spielplatz.
Kinder. Ein Junge und zwei Mädchen. Die Mädchen
rutschten, der Junge schaukelte.
Pärssinen war nicht zu sehen.
Aus dem Wagen steigen, gemächlichen Schrittes lau-
fen, die Kinder grüßen, an das Fenster klopfen, und ein
Fremder würde öffnen und sagen: Pärssinen? Nie ge-
hört. Wer soll das sein?
Aku. Laura.
Die Mädchen rutschten, der Junge schaukelte. Wie
wahnsinnig. Immer höher, bis Korvensuo sicher war,
dass er sich jeden Moment überschlagen würde.
Aber das war unmöglich. Das hatte er selbst als
Kind gelernt. Wie sehr man sich auch anstrengte, man
würde sich auf einer Schaukel niemals überschlagen
können.
Runterfallen konnte man natürlich und sich böse
wehtun. Das war ihm passiert. Sein Knie hatte geblutet,
und erst Jahre später hatte ein Arzt gemutmaßt, dass
sein Meniskusschaden eine Folge dieses Sturzes gewesen
sei.
Der Junge bremste ab, sprang unversehrt von der
Schaukel und schubste eines der Mädchen von der Rut-
sche. Der Junge rutschte, die Mädchen rannten zur
Schaukel.
Pärssinen trat ins Freie und streckte sich. Er rief den
Kindern etwas zu, das nicht zu verstehen war. Korven-
suo hörte nur dumpf die Stimme. Pärssinen trottete den
Weg entlang und verschwand in Richtung des Super-
marktes.
Warten, dachte er. Auf Pärssinens Rückkehr warten.
Eine Frage stellen. Eine Antwort erhalten. Wir sehen
uns nicht wieder, würde er am Ende sagen.
Er rief Marjatta an. Sie war mit Aku in der Stadt. Aku
riss das Handy an sich und fragte, ob er schon auf dem
Heimweg sei.
Akus Stimme.
Ja, dachte er und schwieg.
Dann erklärte er Marjatta, dass sich die Sache ein
wenig in die Länge ziehen würde. Ein Tag, vielleicht
zwei Tage. Er wisse es nicht.
Marjatta fragte, ob er Hämäläinen gesehen habe, die
Frau, die Mutter des Mädchens, das damals umgebracht
worden war, und den Polizisten, der ermittelt hatte.
Nein, sagte er.
Pärssinen kehrte zurück. Er hielt in jeder Hand eine
weiße Plastiktüte. Milch, Zucker, Eier. Pflaumen-
schnaps.
Eine Weile bei Pärssinen sitzen. Im Schatten. Alte
Filme schauen.
Nein, sagte er, hab ich verpasst. Was haben die denn
so erzählt?
Die Frau habe ihr leid getan, antwortete Marjatta.
Aku wollte ins Kino. Korvensuo wünschte ihnen Spaß
und schaltete das Handy ab. Er hatte Schüttelfrost.
Pärssinen war ins Haus gegangen und kehrte nicht
zurück. Auch der Junge ging irgendwann ins Haus, ver-
mutlich zum Mittagessen. Die Mädchen fuhren mit
Fahrrädern weg. Kräftig traten sie in die Pedale. Wie
Pia Lehtinen.
»Bereit?« hatte Pärssinen gefragt, und er hatte geant-
wortet:
»Was meinst du?«
Timo Korvensuo saß im Wagen, die Hand an der Tür,
bereit, auszusteigen. Pärssinen eine allerletzte Frage stellen. Sich verabschieden. Er öffnete die Tür und schloss
sie wieder. Öffnete sie und schloss sie wieder. Einige
Male stieg er aus und ging ein Stück. Dann ging er wie-
der zum Wagen, ließ sich in den Sitz sinken und betrach-
tete das leere Bild.
Pia Lehtinen trat kräftig in die Pedale und kam auf
ihn zu.
Der Junge kehrte zurück und schaukelte. Wie ein
Irrer. Bremste ab und holte neuen Schwung. Bremste ab
und holte neuen Schwung ...
Timo Korvensuo stieg aus. Erging Schritt für Schritt.
Der Junge beachtete ihn nicht, bis er sein Jackett im
Gras ablegte und sich neben den Jungen auf die zweite
Schaukel setzte.
»Wollen wir jetzt mal sehen, wer höher kommt?«
fragte Korvensuo, und der Junge starrte ihn an.
Korvensuo katapultierte sich in die Höhe. Ein Ste-
chen im Magen. Er hörte den Jungen lachen.
Pärssinens Fenster flog vorbei.
»Komm, schieb mich an!« rief er.
Der Junge zögerte kurz, und dann warf und schmiss
er sich gegen die Schaukel. Korvensuo spürte ein Ste-
chen und Reißen und die Möglichkeit eines Über-
schlags.
Pia Lehtinen fuhr weiter. Er stieg aus dem roten
Kleinwagen, sah ihr nach und spürte Sonne auf der
Stirn.
Als es so weit war, ließ er los.
Der Aufprall fühlte sich weich an.
»Oh, Mann«, sagte der Junge.
Korvensuo nahm sein Jackett
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