Das Schweigen
hinter seiner Stirn zu
schmelzen begannen.
Das Publikum schwieg. Hämäläinen verhaspelte
sich bei der nächsten Frage. Eine Frau huschte durchs
Bild und wischte Ketola mit einem Tuch den Schweiß
vom Gesicht.
Das Telefon klingelte. Joentaa ging und nahm ab,
ohne den Blick vom Bildschirm zu nehmen.
»Schalt mal den Fernseher an«, sagte Sundström.
»Habe ich schon.«
»Dann stimmst du mir sicher zu, wenn ich sage, dass
der jetzt spinnt«, sagte Sundström.
»Was meinst du?«
»Was ich meine ... ich meine, dass der gerade massiv in eine laufende Ermittlung eingreift und glaubt,
dem Täter irgendwelche guten Ratschläge geben zu
müssen.«
Joentaa versuchte, mit einem Ohr zu hören, was Ke-
tola gerade sagte. Er sprach über sein Empfinden als
Ermittler bei der Suche nach Pia Lehtinen.
»Hallo?« fragte Sundström.
»Ja ... du hast recht«, sagte Joentaa.
»Was will der? Was macht der da? Du kennst ihn
doch gut. Was macht der da?«
»Ja ...«, sagte Joentaa.
»Ja was?!«
»Ich glaube, dass er ... er ist überzeugt davon, dass der
Täter von damals zurückgekehrt ist. Und er will ihn ...
aus der Reserve locken.«
»Aha.«
»Das vermute ich wenigstens. Ich weiß es auch nicht,
die Sendung läuft noch.«
»Das sehe ich«, sagte Sundström und schwieg eine
Weile. Beide hörten, wie Elina Lehtinen den Täter bat,
sich zu stellen.
Joentaa dachte, dass Elina Lehtinen ihrer Tochter in
diesem Moment wieder sehr ähnlich sah, und Sund-
ström sagte: »Das ist eine gottverdammte Witzsen-
dung.«
Hämäläinen nickte verständnisvoll.
»Fehlt nur noch, dass sie eine Nummer einblenden,
unter der der Täter anrufen kann«, sagte Sundström.
Hämäläinen erklärte gerade, dass Übergänge manch-
mal schwer zu machen seien, weshalb er es gar nicht
versuchen wolle, und dann gingen Ketola und Elina
Lehtinen, und ein Schauspieler kam auf die Bühne, der
ein Alkoholproblem hatte und dennoch im Begriff war,
in Hollywood Fuß zu fassen.
Joentaa stand mit dem Telefon in der Hand da und
sah den Schauspieler, der sich alle Mühe gab, witzig und
tiefsinnig zugleich zu sein. Das Publikum beklatschte
einen kurzen Filmausschnitt, der Schauspieler lächelte.
»Na dann, gute Nacht«, sagte Sundström und unter-
brach die Verbindung, bevor Joentaa etwas entgegnen
konnte.
8
Die Kinder schliefen. Wahrscheinlich. Jedenfalls war es
ganz still. Das Wochenende am See hatte sie müde ge-
macht, und jetzt schliefen sie und waren zufrieden und
freuten sich auf eine lange Reihe von Ferientagen.
Marjatta Korvensuo saß auf dem Sofa, sie hatte die
Arme um die Beine geschlungen und dachte an die
blasse Frau im Fernsehen.
Eigentlich hatte sie Hämäläinen eingeschaltet, um zu
entspannen, aber dann war diese Frau zu Gast gewesen,
die Mutter des Mädchens, das damals getötet worden
war, Pia Lehtinen. Sie hatte Dinge gesagt, die Marjatta
Korvensuo nicht mehr aus dem Kopf gingen. Sie hätte
kein Wort mehr wiedergeben können, aber der Klang
ihrer Stimme hatte sich eingeprägt und das Schweigen
im Publikum, die langen Pausen, die nach ihren Sätzen
entstanden waren.
Der Fernseher lief noch. Die Spätnachrichten. Das
Foto des verschwundenen Mädchens wurde eingeblen-
det und für Momente Bilder einer Pressekonferenz.
Marjatta spürte den Impuls, nach den Kindern zu
sehen, aber sie zwang sich, sitzen zu bleiben. Die Kinder
schliefen in ihren Betten. Für einen Moment überlegte
sie, ob sie noch einmal bei Timo anrufen sollte, um ein
paar Minuten über die Sendung zu sprechen, die sie ge-
sehen hatte. Timo war ein sehr guter Zuhörer, und häu-
fig sahen die Dinge anders aus, nachdem er sie in seiner
ruhigen Art in eine andere Perspektive gestellt hatte.
Aber vermutlich schlief Timo schon.
Die finnische Präsidentin war noch immer zu Gast in
Deutschland. Sie stand lächelnd vor einem Pult im
Blitzlichtgewitter.
Marjatta stand auf und vergewisserte sich noch ein-
mal, dass die Haustür von innen verriegelt war, das
machte sie immer, wenn Timo unterwegs war. Dann
nahm sie sich eine Wolldecke und beschloss, bei laufen-
dem Fernseher auf dem Sofa einzuschlafen.
9
Timo Korvensuo saß auf dem Bett. Seine Augen brann-
ten, er musste sie in Sekundenabständen öffnen und
schließen.
Die Uhr am Fernseher zeigte an, dass es auf ein Uhr
zuging. Hinter dem Fenster hatte eine schwache Däm-
merung eingesetzt, ein wenig blau und ein wenig rosa.
Er wünschte sich einen tiefen,
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