Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)
sich die linke Wade, betrachtete immer noch intensiv das Kügelchen, das er aus der Nase geholt hatte, und sagte: »Ihr Mann sieht sie auch. Außer ihm kein anderer.«
Es war das Angebot einer Übereinkunft – er würde sprechen und sie antworten, ebenso offen und ehrlich wie er. Kitty konnte einfach nicht anders und sagte: »Ja. Er sieht sie auch.«
Der Junge nickte wie zur Bestätigung der Abmachung, die sie fortan miteinander verband. »Das ist ja auch nur natürlich.«
»Natürlich? Wieso?«
Es war mehr ein Kichern als Lachen, das der Junge von sich gab. Deutete man seine Kopfbewegung richtig, somachte ihn das Thema verlegen. »Meine Mutter sagt, wenn zwei Menschen heiraten, verschmelzen sie zu einem. Wissen Sie, was sie noch sagt?«
»Nein. Aber ich würde es gern hören.«
»Sie sagt, da Sie Brid und Taddy gesehen haben und Ihr Mann sie jetzt auch sieht, weiß sie, zu wem von euch beiden ihr verschmelzt. Und zwar werden Sie es sein. Sie haben sie zuerst gesehen. Ihr schien der Gedanke zu gefallen. Wie finden Sie das?«
»Ich kann deiner Mutter schwerlich widersprechen, oder?«
»Besser nicht.«
»Und sie hat gelacht?«
»Sie war auf sich und den Gedanken richtig stolz.«
»Hmm. Ja.«
»Aber sie hat auch gesagt, Sie sollten sich nicht grämen. Er würde es nie erfahren. Wer er einmal werden würde. Es sei denn, Sie verraten es ihm.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich dafür eine … eine Notwendigkeit ergibt.«
»Das meinte auch meine Mutter. Sie sagte nur noch, es wäre nicht klug, es ihm zu sagen.«
»Danke.« Kitty blieb im Tonfall so neutral, wie es nur ging. Wenn irgend möglich, sollte der Junge von ihr nicht
alles und jedes
erfahren, besonders, wenn es sich um ganz persönliche Gedanken handelte, die tunlichst nicht für die Ohren anderer bestimmt waren, schon gar nicht für die ihres Mannes, ob sie nun mit ihm zu einer Person verschmelzen würde oder nicht. Genauso gut galt das für andere, Prophet hin, Prophet her, Seherin oder nicht Seherin.
Prompt bestätigte der Junge Kittys heimliche Befürchtungen und sagte: »Aber Sie sollten auch wissen, dass meine Mutter das nur denkt, genau wissen tut sie es nicht. Über das, was ich eben erzählt habe, ist sie sich nicht rechtsicher. Es könnte wahr sein – oder auch nicht.« Er machte eine Pause. »Sie arbeitet noch daran.«
»Ach ja?«
Sie kam nicht dazu, um nähere Erläuterungen zu bitten, denn Joey tauchte schwanzwedelnd auf und drängte sich fröhlich zwischen sie. Der Junge sprang zur Seite. »Joey! Was suchst du hier? Scher dich nach Hause. Du wirst dort gebraucht, und du weißt das genau.« Joey, ein Collie und Hütehund, das weiße Fell braun und schwarz gefleckt, wedelte trotz der Zurechtweisung nur noch heftiger mit dem Schwanz, sah von Peter zu Kitty und wieder zurück zu Peter. »Ich muss ihn heimschaffen. Er muss bei den Kühen helfen.«
»Ich dachte, du wolltest mit zur Burg.«
»O nein, das sollte ich lieber bleiben lassen.«
»Wieso?«
Er kraulte Joey hinter den Ohren. Wohlig wackelte Joey mit dem ganzen Hinterteil. »Ich möchte nicht dort sein, wenn sie in die Luft geht.«
»Die Burg geht nicht in die Luft.«
»Es wird aber passieren. Meine Mutter sagt es.«
»Wirklich?« Kitty gefiel ihre völlig neue Art, nur noch in Ein-Wort-Sätzen zu reden, selbst nicht, aber sie konnte einfach nicht anders.
»Ich muss Joey heimschaffen.«
»Wenn sich deine Mutter so sicher ist, dass die Burg in die Luft geht, dann kann sie gewiss auch sagen, wann das geschieht.«
»Kann sie nicht.«
»Und du? Weißt du es?«
»Ich muss Joey heimschaffen. Er kriegt sonst Schelte.«
»Warte. Sag mir erst, was du sonst noch weißt. Oder was deine Mutter weiß.«
Peter hörte auf, den Hund zu tätscheln, und richtetesich auf. Er schaute auf seine Sneakers und bohrte mit der rechten Fußspitze in der Erde. Schließlich meinte er: »Sie sagen, meine Mutter sei eine Hexe.«
»Das habe ich nie gesagt.«
»Im Stillen sagen Sie es die ganze Zeit. Dreimal haben Sie es gesagt: als meine Mutter Ellen mit den Karten half, als sie das Fußballspiel beobachtete und als sie Ihnen von Margarets Asthma erzählte.«
Kitty hielt es für das Beste, sich jetzt zu trennen. Was immer ihr der Junge noch hätte erzählen können, sie würde auch ohne das klarkommen. Ein Eindringen in ihre geheimsten Gedanken durfte sie nicht zulassen. Schon gar nicht, wenn es um sie selbst ging. Bestimmt wusste er auch von ihrem inneren Monolog über seinen
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