Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)
Köstlichkeiten belohnen könnte, von denen andere nur träumen würden. Dass sie Geister nicht fürchtete, hatte sie bereits bewiesen. Was sie jetzt tun musste, war, diesen bewundernswerten Charakterzug noch stärker zu zeigen. Sie musste das jüngste Eindringen in ihre Gefilde geschehen lassen, um die natürliche Ordnung wiederherzustellen – eine natürliche Ordnung, in der ein für alle Mal feststand, dass sie bei ihrem Mann keine Konkurrenz dulden würde – sie musste also die Situation hinnehmen, sie akzeptieren und gleichermaßen ignorieren.
Wie sie das tun sollte, wo schon beim bloßen Denken solch extravaganter Gedanken der Zorn in ihr aufwallte, war ihr schleierhaft. Aber wenn es denn sein musste, würde sie es schon schaffen. Ihre ihr innewohnenden Fähigkeiten würden sie nicht im Stich lassen. Sie würden sie nicht nur, wie schon so oft, nicht im Stich lassen, sie würden ihr zum Sieg verhelfen.
Kitty sah sich schon triumphieren, doch ein letzter Gedanke ließ sie zaudern. Keats’ griechische Urne krachte ihr mit voller Wucht auf den unübertrefflichen Kopf: Der Jüngling, der dem Mädchen nachjagt, beide für alle Ewigkeit auf ein Stück Ton gebannt, verkünden eine Erkenntnis, die die arme, bedrängte Kitty fast erstarren ließ. »Bist du dem Ziel auch nah«, heißt es bei Keats, »liebst du doch ewig, und bleibt sie so schön.«
Und bleibt sie so schön! Ewig!
Kitty, ein Kind rasch vergehender Zeit, dem Altern anheimgegeben, wenn sie Pech hatte, auch mit Fettleibigkeit gestraft und letztendlich zum Verwelken bestimmt. Und
sie
ewig schön!
Wenn sie nur wüsste wie, die Burg würde noch vor Sonnenuntergang hochgehen. Oder sollte sie lieber Pater Colavin kommen lassen? Sollte doch die niederträchtige Brid wie Eva vertrieben werden, ins Ungewisse, mit Feigenblatt oder ohne. Sollte sie heulen und zetern. Und Taddy konnte sie auch gleich mitnehmen.
Der unsäglich traurige, verwirrte Taddy. Verbannt. Aus Kittys sorgenvollem Blickfeld entschwunden. Für immer fort. Nie wieder würde sie ihn in den schattigen Hallen sehen. Nie wieder würde er die klagenden Weisen spielen, die nur er dem Instrument entlocken konnte. Er würde die Harfe ein letztes Mal zurücklegen und für immer entschwunden sein.
Hätte es in Kitty McClouds Macht gelegen, etwas zu unternehmen, das ihren Gefühlen entsprach, sie hättesich – auch ohne Schießpulver – in tausend Stücke gesprengt, unzählige Teilchen, die über ganz Kerry niedergehen würden bis hinaus aufs Meer, winzige Fetzen Fleisch und Haar und Knochen, Reste der Milz, Klümpchen ihres strapazierten Hirns, Splitter vom Schädel, und weiter weggeschleudert als alles andere würde irgendwo das Herz landen, dem sie in ihrer Verwirrung mehr zugemutet hatte, als es ertragen konnte.
Doch eine so simple Lösung der Widersprüche, die ihr in Kopf und Herz tobten, war nicht gegeben. Sie musste sich losreißen, musste geradewegs dem schmalen und zunehmend steilen Pfad folgen, der sie heimwärts führen würde. Auf die Burg. Auf die blutige Burg. Blut. Blut. Sie wollte Blut. Aber wessen? Niemandes Blut. Nicht Kierans. Nicht ihrs. Nicht einmal – wenn irgend möglich – das Blut von Brid oder Taddy. Ein einziger Gedanke überlagerte jetzt alles andere. Sie war mit einem Fluch belegt. Dem Fluch der Verwirrtheit und Widersprüchlichkeiten. Wie ein Leichentuch hatte er sich auf die gute, liebenswerte, untadelige Kitty McCloud gesenkt.
Ohne dass Kitty es bemerkt hatte, war Peter fünf Schritte von ihr entfernt stehen geblieben, und mit ihm der Hund. Erst als er laut rief, wurde sie gewahr, dass sie alles um sich herum vergessen hatte. »Ich bringe Joey zurück. Er wird dort gebraucht.«
Kitty drehte sich um und hatte den Jungen vor sich. Er krauste die Nase, so dass sich die Haut über den Jochbeinen spannte und die Sommersprossen fast die Augen berührten. Der Hund saß hechelnd da, schaute zu ihm auf und erwartete ein Kommando. »Meine Mutter sagt, kommen Sie, wann immer Sie Lust haben, zu einer Tasse Tee. Sie findet es schön, dass Sie in der Burg wohnen. Sie sagt, sie sei froh, dass Sie es sind, die dort lebt, und nicht wir.«
Kitty, inzwischen ruhiger geworden, hatte eine letzteFrage. »Du hast vorhin gesagt, es bestünde ein Unterschied zwischen dem, was deine Mutter denkt und was sie weiß. Dann tauchte der Hund auf, und du bist nicht wieder darauf zurückgekommen. Kannst du mir noch mal sagen, was sie denkt und was sie weiß? Ich bin ein wenig durcheinander und
Weitere Kostenlose Bücher