Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)
mit dem unter den Platten liegenden Schießpulver verbinden musste.
Declan schaute zum schmiedeeisernen Kronleuchter mit den hundert Kerzenhalterungen hoch, an dem er die Erhängten gesehen hatte. Der nächste Blick wanderte zu seinen Füßen. Er schob mit dem Stiefel den Kuhfladen beiseite, in den er getreten war. Gebannt starrte er auf die sichtbar gewordenen Steinplatten. Langsam kniete er nieder und legte die Handflächen auf die Bodenplatten, unter denen das Schießpulver verborgen war. Er schloss die Augen und segnete das Schwein.
Kapitel 11
Einen schöneren Tag hatte Kitty noch nie erlebt. Der Himmel hatte sich von allen Wolken befreit und thronte ohne jede Beeinträchtigung über einer See, die sich friedlich gab, in steter Dünung hob und senkte. Das Meer verspürte kein Bedürfnis, sich wild aufzubäumen, wozu es im Allgemeinen neigte. Sonst rollten die Wogen, ihrer Natur entsprechend, erbarmungslos auf die Klippen zu, an diesem wundervollen Tag aber plätscherten sie nur gegen die sich auftürmende Felswand und leckten daran wie ein schwanzwedelndes Schoßhündchen. Kein Schiff unterbrach die Horizontlinie, nicht einmal ein Curragh machte sich die friedvolle Stimmung der See zunutze.
Das Gras, durch das sie auf den Klippenrand zu stapfte, war noch taufeucht, die Flockenblumen mit den Purpurköpfchen und die Disteln fingen gerade an zu blühen. An einem Tag wie diesem konnte sich nicht einmal der immerwährende Geruch der See gegen den Duft des Klees durchsetzen, den eine sanfte, von irgendwo aus dem Norden kommende Brise ihr zuwehte. Selbst die Kormorane, die aufstiegen, ins Wasser schossen und wieder hochkamen, dämpften ihre beutegierigen Schreie. Unten auf dem Sandstreifen trippelten die Strandläufer und wichen geschickt dem sich ständig ändernden Wassersaum aus.
Kitty musste sich eingestehen, dass ihr Wahrnehmungsvermögen von der neuen Erkenntnis, dass sie schwanger war, beeinflusst sein könnte. Sie hatte diese frohe Kunde Kieran gestern Abend vor dem Schlafengehen eröffnet. Wie um sie an seine unermüdlichen Bemühungen, es dazu kommen zu lassen, zu erinnern, hatte er weder zärtliche noch besorgte Floskeln geäußert, sondern hatte seine Worte »Na endlich, kann ich da nur sagen« lediglich mit einem vergnügten Grinsen begleitet.
Als er gleich darauf Kitty in die Arme gefallen war, fürchtetesie schon, er sei ohnmächtig geworden. Doch er kam rasch wieder zu sich, löste sich von ihr und legte ihr seine riesigen Pranken auf die Schultern. Zu sprechen war ihm unmöglich. Die Laute, die aus seinem Mund kamen, aus der Kehle und aus der weiter südlichen Region waren ganz und gar tierhaft: Grunzer und Brüller, Quieken, dann halberstickte Schreie, die nur ein erneutes Sich-an-Kittys-Brüste-Drängen stillen konnte. Sein Gebaren versetzte Kitty in einen solchen Freudentaumel, dass sie fürchtete, man würde sie im Himmel aufnehmen, ehe noch das große Ereignis stattgefunden hatte. Sie beruhigte sich etwas, als sie spürte, wie der an ihren Leib gepresste Körper ihres Mannes sich hob und senkte. Zuerst dachte sie, er schluchzte, doch der wackere Mann löste sich wieder von ihr, und sie vernahm sein unbändiges, freudiges Lachen, das ihr üppiger Busen erstickt hatte, das nun aber frei herausschallte und die Deckenbalken über ihnen und die Dielenbretter unter ihnen in Schwingungen versetzte.
Plötzlich hörte das Lachen auf. Kieran schaute seiner Frau beinahe ängstlich in die Augen, mit Blicken, so durchdringend, wie sie sonst nur in Momenten zärtlichster Zuneigung waren. Langsam schloss er seine Frau in die Arme, und sanft wiegten die beiden hin und her. Dann kamen ihm die Tränen und Kitty ebenfalls.
In der Morgendämmerung, Kitty schlief noch, war ihr Arm zu ihrem Mann hinübergewandert, und sie spürte, dass er nicht neben ihr lag. Im Nu war sie hellwach und hob den Kopf vom Kissen. Kieran stand am Fenster, splitternackt, den Mund halb offen, die Stirn gerunzelt, und stierte zum heller werdenden Horizont.
Selbst in ihrem schlaftrunkenen Zustand konnte sie es nicht lassen, die herrliche Gestalt zu bewundern. Verglichen mit ihrem Mann mit den markanten Gesichtszügen und dem lohfarbenen Bart kamen ihr andere Männer wie überzüchtet vor. Die hatten eine zuvor erreichte Vollkommenheit überschritten, KieranSweeney aber erinnerte sie daran, was Männer früher waren und wie sie noch immer sein müssten. Seine weit auseinanderstehenden Augen waren von einem strahlenden Blau,
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