Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)
verschwand hinter der ersten Biegung. Aaron, der mittlerweile gar nicht mehr spürte, wie durchnässt er war, ging zu seinem Auto, stieg ein und saß eine Weile unentschlossen da. Welche Richtung sollte er einschlagen – zum Flughafen in Shannon oder zur Schweinefarm? Im Grunde genommen blieb ihm keine Wahl. Er ließ den Motor an, reihte sich in den Verkehr ein und fuhr nach Hause, wo ihn die Schweine erwarteten. Und seine Frau.
Lolly, die den Wetterunbilden trotzte, hatte einen Schlapphut über die unzerstörbare Pracht ihres rotbraunen Haars gestülpt und kippte das Futter in die Tröge, während die Schweine vorFresslust quiekten. Aaron stand da und beobachtete seine Frau bei der Arbeit, sah zu, wie das Futter in die Tröge schwappte, und begriff, wie sehr er sie eigentlich liebte, weit mehr als Lucille. Der letzte Eindruck, den er von seiner einstigen Ehefrau hatte, wie sie beim großen
Amen
mitsang, würde eine Vision bleiben, die er nie verdrängen wollte. Das Bild würde er immer vor Augen haben, so würde
sie
stets bei ihm sein. Aber wirklich eingebunden war er in die Mysterien des Landes, in das er geraten war, und er lebte mit einer anderen Art von Visionen, mit richtigen Geistern wie Brid und Taddy oder Declan. Er hatte sich damit, wie mit all dem anderen, voll und ganz abgefunden.
Er ging zu seiner Frau hinüber, griff sich einen Eimer mit Schweinefutter und übernahm seinen Teil des Abendpensums. Beim Grunzen und Quieken um ihn herum musste er an das Schwein denken, das ihn auf seine widerborstige Weise in dieses Verwirrspiel der Sinne gebracht hatte. Es war ihm zum Haus seiner Tante gefolgt und hatte das Beet mit den Kohlköpfen umgewühlt. War das Schwein ein Fluch oder ein Segen für ihn gewesen? Fürs Erste blieb die Frage offen. Er musste sich voll und ganz auf den Eimer mit dem Futter konzentrieren und auf die Schweine, die ihm ihre Rüssel entgegenreckten.
Während Aarons Gedanken um das unlängst dahingeschiedene Schwein kreisten, befand sich das Tier in Declans Nähe und blieb getreulich in seinem Blickfeld. In einem der fertig gedeckten Schuppen packte Declan seine Werkzeuge zusammen, denn der Regen wollte und wollte nicht aufhören. Das Geisterschwein war ihm in den letzten Tagen nicht von der Seite gewichen, hatte ihm aufmerksam zugeschaut, als wäre es ein Oberaufseher, der zu kontrollieren hatte, ob er seine Arbeit so erledigte, wie es vereinbart war.
Declan hatte sich unter seinen prüfenden Blicken sogar wohlgefühlt, hatten sie ihn doch von seiner zwanghaften Vorstellung von der Burg, von Brid und Taddy – und sogar von dem Schwein – zeitweilig abgelenkt, zeitweise seine wilde Entschlossenheit verdrängt,die Burg dem Erdboden gleichzumachen und Brid und Taddy von dem Fluch zu erlösen, der sie hier gefangen hielt.
Er ließ die Werkzeuge in seinen Beutel fallen und zog das grobe Lederband fest, das ihn oben verschloss. Das Schwein, das der Platzregen nicht im mindesten störte, hatte seine Aufmerksamkeit dem Abfallhaufen zugewandt, der immer noch auf dem Burghof lag. Es kletterte seitlich auf den unansehnlichen Unrat, als sei es das Natürlichste von der Welt, und verschwand in dem Haufen, die Schnauze vornweg, als wäre es ein leibhaftiges Schwein, das in dem Haufen Abfall wühlte, darauf aus, den widerlichen Müll weit und breit zu verstreuen. Glücklicherweise stand das nicht in der Macht eines Phantoms. Es musste sich damit begnügen, das Innere des Haufens zu erkunden und daraus wieder aufzutauchen, wobei ihm nur die Erinnerung an das Chaos blieb, das es dort in längst vergangenen Tagen angerichtet haben könnte.
Das Schwein kam schließlich wieder zum Vorschein, ohne auch nur das Mindeste verändert zu haben. Es stieg hinunter auf den festen Boden, drehte sich um, und blickte, den Rüssel erhoben, dorthin, wo es eben noch gewesen war.
Declan brummte amüsiert vor sich hin und warf sich den Beutel über die Schulter. Er machte zwei Schritte auf seinen klapprigen Lieferwagen zu, blieb unentschlossen stehen und drehte sich um. Das Schwein stierte immer noch unverwandt auf den Abfallhaufen, den es eben inspiziert hatte. Unerforschlich bleiben die Wege eines Schweins – und erst recht dieses Schweins. Sollte Declan neugierig gemacht werden? Erwartete man von ihm – als sei auch er ein Schwein –, in einem Abfallhaufen zu wühlen? Er wandte sich ab, ging ein paar Schritte, blieb wieder stehen. Und schon kehrte er um. Das Schwein hatte sich nicht von der Stelle
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