Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)
sie sich in der Romanschreiberei versuchte. So eine simple Einladung, und die sollte Lolly aus dem Gleis werfen? Das war doch überhaupt nichts Ungewöhnliches. Beide kamen ziemlich oft zum Abendessen, was Kieran gar nicht recht war, weil er seine kulinarischen Künste am liebsten nur seiner Frau zugutekommen ließ. Warum plötzlich dieses Zögern?
Ein Gedanke durchzuckte sie, und der war ihr gar nicht lieb. Der hatte nicht nur mit Lollys gegenwärtigem Benehmen zu tun, sondern auch mit dem, was Lolly vor Tagen auf der Klippe geäußert hatte. Richtig eifrig war sie da auf Declans Fortgehen bedacht gewesen. Und wie sie von dem Gram geredet hatte, den er wegen des im Garten begrabenen Jungen empfand. Mit rein gar nichts könne man ihm da helfen, hatte sie gesagt, aber sich verbessert: »Mit
fast
nichts.« Kitty fragte sich mitunter, was hinter diesem »Fast« eigentlich steckte. Es boten sich verschiedene Möglichkeiten an, eine davon war so absurd, dass Kitty sich sogar ein bisschen schämte, so etwas überhaupt zu denken. Doch die Vorstellung hielt sich hartnäckig, tauchte immer mal wieder auf. Kitty mühte sich, sie zu verbannen, aber so ganz wollte ihr das nicht gelingen. Lollys Ehe mit Aaron schien recht glücklich zu sein. Er hatte sich sogar lebhaft für ihre Schweinemästerei interessiert. Und ihr war das sehr gelegen gekommen, in jenen schlimmen Tagen, als sie die freudige Mühsal auf sich genommen hatte, Schriftstellerin zu sein.
Dass Lolly noch Gefühle für Declan hegte, war verständlich. Aber tat sie etwas, um die wieder aufleben zu lassen? Was mochte in ihr wirklich vorgehen? Was Kitty so denken ließ, war zu allererst die Sorge um Aaron. Mit ihrer neugewonnenen Sympathie für ihn war die Entschlossenheit gepaart, jeden Schaden von ihremNeffen, der er nun nicht mehr war, abzuwenden. Kitty würde nie zulassen, dass er in Schwierigkeiten geriet. Er hatte schon genug gelitten, weitere Entbehrungen sollten ihm erspart bleiben. Lolly durfte nie, wie Aarons in Kerry geborene Mutter, »eine Frau werden, die gewissen Neigungen nicht widerstehen wollte«.
Und schon ergriff ein hinterhältigerer Gedanke von ihr Besitz. Vielleicht ließ sich Lolly dazu verleiten, mehr durchblicken zu lassen. Hier bot sich die Gelegenheit, das auszuprobieren. Es war unfair und verwerflich, ihrer besten Freundin das anzutun – ein Grund mehr, zur Tat zu schreiten.
»Kieran hat gemeint, wir sollten auch Declan einladen.« (Kieran hatte nicht im Traum daran gedacht.)
»Declan?«
»Wir sind ihm zu Dank verpflichtet für die Reetdächer. Es ist ohnehin wenig genug, was wir tun können. Er lehnt es ja völlig ab, sich bezahlen zu lassen, nicht mal für das Schilfrohr.«
»Declan einladen?« Lolly tat, als begriffe sie nicht, was Kitty eben gesagt hatte.
»Er hat großartige Arbeit geleistet, meinst du nicht auch? Die Schuppen im Burghof sind wieder in Ordnung, sind in den ursprünglichen Zustand gebracht.«
»Ja. Sieht sehr ordentlich aus. Wirklich.«
»Man kann über Declan sagen, was man will, doch bei allem, was er anpackt, erweist er sich als wahrer Meister. Jetzt sind die Schuppendächer fertig, und er hat das ganz allein geschafft. Müssen wir ihm da nicht dankbar sein? Bevor er wieder weggeht – und wer weiß, wie lange fortbleibt –, sollten wir ihm da nicht wenigstens was Ordentliches zu essen bieten, als Wegzehrung gewissermaßen? Findest du nicht auch?«
»Ja, schon …«
»Ach weißt du. Wir beide haben unsere Erlebnisse mit Declan gehabt. Doch seit den Tagen damals, und den Nächten, haben wir uns verdammt geändert. Sogar ich. Und erst recht du, hast jetzt Aaron zum Ehemann mit allem drum und dran.«
»Ja, natürlich, nur …«
»Hast du Bedenken?«
»Ich hab bloß gedacht, wir wären so ganz unter uns, eben nur Familie, weil du und Kieran … weil ihr doch nun wegzieht, und die Kühe auch …«
»Lolly, wenn es dir unangenehm ist, mit beiden … mit ihm und Aaron … an einem Tisch zu sitzen …«
»O nein, das ist es nicht. Warum … warum sollte mir unangenehm sein, wenn … wenn …«
»Wenn alles fast schon nicht mehr wahr ist, man kann sich kaum noch erinnern, stimmt’s?«
»Ja, richtig, ganz schön lange ist das her …«
»Und denk mal, wie gefühlvoll wir mit dem umgegangen sind, was wir für seine Knochen hielten. Haben sie gewaschen und sorgsam zurückgesteckt in die Kleidung, mit eigenen Händen, mit denen wir, … na, dich muss ich wirklich nicht daran erinnern. Wäre es dir lieber, ich
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