Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Caldwell
Vom Netzwerk:
selbstverständlich für sie zu der Tat bekannte.
    Bevor sich Kitty zu etwas hinreißen ließ, was sie später bereut hätte, rief Kieran: »Wer möchte Apple Brown Betty? Kitty hat den Nachtisch selbst gemacht, ein Rezept aus der Bronx in den Vereinigten Staaten von Amerika.« Kitty, die für sich beschlossen hatte, Lolly noch einmal glimpflich davonkommen zu lassen, erklärte großspurig, dass das Apple-Brown-Betty-Rezept sich gut in den amerikanischen Rahmen fügte, den sie mit Corned Beef und Kohl gesetzt hatten. Es war nicht das erste Mal, dass sie etwas brauchte, um der Verlockung zu widerstehen, Miss McKeever den Hals umzudrehen. Aus purer Nächstenliebe hatte sie schon oft Gnade vor Recht ergehen lassen, und auch diesmal gelang ihr das mit erstaunlicher Gelassenheit. Der Abend, an dem genügend Bier und Tullamore Dew geflossenwar, endete mit großem Abschiednehmen, mit den üblichen Umarmungen und Küssen, bis zu Tränen kam es jedoch nicht.
     
    Die größte Herausforderung am Bergabhang bestand darin, die Kühe in Bewegung zu halten, denn viel lieber hätten sie an den Wegrändern noch Gras gerupft. Die Geisterschweine, die sich auf der anderen Seite des Berges gedrängt hatten – es waren derer so viele, dass man sie nicht mehr zählen konnte –, hatten sie vermieden, indem sie den unteren Abhang umgangen und am Morgen den etwas längeren Aufstieg auf dieser Seite gewählt hatten. Weder die Kühe noch der Hund schienen sich an der Gegenwart der Schweine zu stören, ein sicheres Zeichen für Kitty und Kieran, dass ihre Tiere nichts Außergewöhnliches sahen oder spürten, und dafür waren sie ganz im Stillen dankbar.
     
    Unter der Zusicherung von Declan Tovey, dass die »Mieter« der Burg unterwegs waren, um die Kühe zusammenzutreiben, und nicht vor Sonnenuntergang wieder da sein würden, stellte George Noël Gordon Lord Shaftoe, kostümiert wie einer seiner Vorfahren, seinen Bentley abseits der Straße in einem kleinen Wäldchen unweit der Burg ab. Er zog sich den Burberry Trenchcoat über, drückte sich sorgfältig den Dreispitz auf die wallende Perücke und begann den anstrengenden Marsch über das schon im Schatten liegende Feld.
    Alsbald würde sich sein sorgsam vorbereitetes Komplott vollenden, seine gespenstische Erscheinung würde die Usurpatoren wahnsinnig erschrecken, was zwangsläufig dazu führen würde, dass sie die Burg fluchtartig verließen. Die Vision eines Geistes, durch eine einzige Kerze ins Halbdunkel getaucht, würde ihnen auf Nimmerwiedersehen Beine machen. Um nicht gänzlich dem Wahnsinn zu verfallen und ihre Verluste auf ein vernünftiges Maß zu beschränken, würden sie ohne zu zögern auf ein Angebot eingehen, das er ihnen über einen Unterhändler machen und das die Burg in seinen Besitz übergehen lassen würde. Wie sollten sie ein solches Angebot auch ablehnen? Die geboteneSumme war höchst generös, schon angesichts der Tatsache, dass er ein im Grunde genommen unbewohnbares Anwesen übernahm, das nur für jemanden in Frage kam, der keine gespenstischen Erscheinungen fürchtete. Der Plan, den er ausgeheckt hatte, war einfach genial. Nur so einer wie er konnte einen derart geistreichen Ausweg aus seiner Kalamität ersinnen. Wer kommt sonst schon darauf – ein Gespenst!
    Mit stolzgeschwellter Brust marschierte er querfeldein und drohte vor Eigenlob fast zu platzen. Nein, er musste seine Erwartungen noch ein wenig zügeln. Der Augenblick des Triumphs stand zwar unmittelbar bevor. Ein Schwelgen in Hochgefühlen verbot sich jedoch, bis er mit hochgehaltener Kerze durch die dann leeren Räume und Hallen schreiten und Besitz ergreifen würde von dem, was sich andere anmaßend unter den Nagel gerissen hatten. Die Banausen würden zu dem Zeitpunkt schon die Flucht ergriffen haben und Stoßgebete zu allen möglichen Heiligen brabbeln, von denen es in ihrer grässlichen Religion wimmelte.
    Dann, und erst dann würde er sich zum Lord der Burg Kissane deklarieren, getreulicher Nachfahr, furchtloser Erbe, ein echter Shaftoe, der seines Namens würdig war.
    Nachdem er den Hof inspiziert und sich vergewissert hatte, dass er allein war, ging er hinüber zu dem Portal, das in die Große Halle führte. Wie Mr Tovey versprochen hatte, war die Tür unverschlossen. (Er würde eine etwas höhere Belohnung für seinen Landsmann springen lassen müssen, großzügig, wie die ohnehin war.)
    An ungefilterte Gerüche der Natur nicht gewöhnt, warf ihn der tierische Gestank in der Halle fast um. Mit

Weitere Kostenlose Bücher