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Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Caldwell
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zerstreute. Sie konzentrierte Verstand und Gefühl auf einen Punkt. Vor Schreck riss sie Mund und Augen auf. Ihr Neffe Aaron war gar nicht ihr Neffe. Schlimmer noch, er war nicht einmal ein McCloud. Es traf sie wie ein herber Faustschlag.
    Aaron hatte ihr eigenes Geisterschwein nicht gesehen. Auch Brid oder Taddy hatte er nie bemerkt, selbst wenn sie sich mehr als deutlich zeigten, dass jeder McCloud, der Augen im Kopf hatte, sie hätte sehen müssen. Ihr ältester Bruder in Amerika hatte recht gehabt. Er hatte vor Jahren, als er sich scheiden ließ, behauptet, seine Frau, die wie er aus Kerry stammte, hätte ihre Ehre, von ihrer Ehe ganz zu schweigen, befleckt, weil sie sich für den Charme eines Mannes, der aus der Grafschaft Cavan nachAmerika ausgewandert war, empfänglich gezeigt und dieser Neigung nicht hätte widerstehen wollen. Kittys Mutter hatte die Anschuldigungen ihres Sohnes vehement zurückgewiesen und hatte ihre Ex-Schwiegertochter in Schutz genommen. Nie würde eine Tochter der Grafschaft Kerry so tief sinken, sich mit einem Mann aus Cavan einzulassen. Kitty hatte keinen Grund gesehen, den Beteuerungen ihrer Mutter nicht zu glauben. Nur zu gern hatte sie allem zugestimmt, das dazu diente, ihre Brüder in ein schlechtes Licht zu rücken.
    Dank dieser Haltung hatte sie von Anfang an den unbeholfenen und verwirrten Jungen – ihren vermeintlichen Neffen Aaron aus Amerika – in die Arme geschlossen und war bemüht gewesen, ihn während der Sommertage, die sie in ihrer Kindheit im Haus der Vorfahren verbrachten, nach ihrem Bilde umzuformen. Die Umwandlung war nicht besonders gelungen, hatte aber ausgereicht, ihm anhaltend gewogen zu bleiben und über seine beträchtlichen Schwächen hinwegzusehen.
    Im Zeitlupentempo schloss Kitty den Mund und zwang sich, heftig zu blinzeln. Sie streckte die Wirbelsäule, ihr Inneres beruhigte sich. Die neu gewonnene Erkenntnis war ihr verblieben, doch wehrte sie sich mit aller Kraft, entsprechend zu handeln. Nie würde sie zulassen, dass diese Offenbarung ihren bisherigen Neffen erreichte. Die Zuneigung, die sie von Kindesbeinen an zu ihm empfand, reichte aus, dass ihm unter allen Umständen erspart bleiben sollte zu erfahren, dass er kein McCloud war, denn das würde sein Selbstwertgefühl in den Grundfesten erschüttern. Einem Mann zu rauben, was offensichtlich sein kostbarster Besitz war, hätte folgerichtig ihre eigene Verdammnis bewirkt. Damit verglichen, wäre die Vertreibung von Adam und Eva aus dem Garten Eden durch den Erzengel lediglich ein zufälliges Missgeschick, gewissermaßen eine Panne gewesen.
    Aus Mitleid geborene Liebe durchflutete ihr ganzes Wesen. Zum ersten Mal überhaupt empfand sie eine Sympathie, eine wirklich tiefgehende Sympathie für den Mann, der nun verstoßen war, dem ein Stammbaum genommen war, den die Götterbereits in den weit zurückliegenden Tagen der Druiden gesegnet hatten. Sie würde sein Geheimnis bewahren. Er würde nie erfahren, dass er ein Nichts war. Kitty McCloud, nun nicht mehr seine Tante, würde dafür Sorge tragen. Wenn es ihr außerdem gelänge, diese peinliche Offenbarung auch von Lolly fernzuhalten, hätte sie alles getan, was sie für ihren Ex-Neffen nur tun konnte.
     
    Kittys nächster Anruf kam zu spät. Aaron teilte ihr mit, Lolly sei bereits unterwegs. Er sagte ihr auch, seine Frau halte diese Fahrt für eine Idiotie, Kitty solle sich schon darauf einstellen, als Idiotin beschimpft zu werden. Zwar nahm sie ihm übel, dass ihm ihre bevorstehende Demütigung ganz deutlich Spaß machte, war aber dennoch unangenehm berührt, seine frohgemute Stimme zu hören. Er hatte keine Ahnung, dass sie das Mittel besaß, das jetzige und jedes zukünftige Schmunzeln von seinem fröhlichen Gesicht zu wischen. Und noch weniger wusste er, dass sie nie so grausam sein würde, die tödliche Waffe einzusetzen, die ihr eben erst in die Hand gegeben worden war.
    Der Laster fuhr auf den Burghof, kaum dass Kitty Zeit hatte, den Hörer aufzulegen.
    Lolly begrüßte ihre Freundin überschwänglich, was nichts Gutes verhieß. Man sah es ihr an, wie diebisch sie sich auf einen bevorstehenden leichten Sieg freute. Kitty wollte nicht zurückstehen und winkte ihr ebenso enthusiastisch zu, lachte trällernd und war sich gleichzeitig bewusst, wie verlogen und falsch dieser gespielte Frohsinn war. »Alles in Ordnung«, rief sie Lolly entgegen. »Hat sich schon erledigt.«
    Lolly warf die Tür des Lasters zu. »Was ist in Ordnung? Was hat sich erledigt?

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