Das Schwein war’s: Kriminalroman (German Edition)
Hauptsache jemand ertrinkt. Und deshalb steigt es und steigt es und frisst sich immer weiter ins Land, immer weiter, bis es sich geholt hat, was ihm zusteht. Es wird die Klippen unterhöhlen, Felsen zum Einsturz bringen und unter sich begraben, es hält Ausschau und sucht und wird keine Ruhe geben, ehe es nicht jemanden gefunden hat, den es in die Tiefe ziehen kann. Das Meer hält nichts von Heimlichtuerei. Es hat es auf uns alle abgesehen. Sie auf Ihrem Felsen dort, geben Sie acht. Es hat Sie entdeckt, sehen Sie sich doch Ihre Klamotten an, es fordert ein, was ihm zusteht. Sein Geruch haftet Ihnen bereits an, es weiß also, wo es Sie findet.« Er nickte, überzeugt, dass er die Wahrheit gesprochen hatte, streckte die Arme nach beiden Seiten aus und nahm so die Breite von Declan Toveys Grab Maß. »Halten Sie sich fern von dem Meer. Es hat Sie sich auserkoren, und ich könnte wetten, es holt Sie sich auch.«
»Ich bin ein viel zu guter Schwimmer.«
»Ein guter Schwimmer ist der beste Leckerbissen.«
»Ich bin nicht auf dem Felsen geblieben. Ich bin das ganze Stück zurück geschwommen bis zu der Stelle, wo der Trampelpfad nach oben zur Straße führt.«
»Gut, gut. Geben Sie dem Meer ruhig einen Vorgeschmack von dem, was es erwartet. Necken Sie es ein wenig. Schwimmen Sie ein bißchen. Spazieren Sie am Ufer lang. Veralbern Sie es, verspotten Sie es. Sie werden ja sehen, was es macht.« Aus seiner Kehle kam ein merkwürdiges Geräusch, als würde er mit Schlamm gurgeln. »Bis es so weit ist, sollten Sie sich nicht erkälten. Das ist nicht die feine Art, sich einfach davonzumachen, wenn man bereits einem anderen versprochen ist.«
Aaron tat, als ob das Gerede an ihm abperlte, und fragte kühl: »Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«
Statt einer Antwort sagte der Mann: »Möchten Sie mal sehen, was ich hier habe?« Er legte eine Hand auf den verdreckten Beutel und grinste wie ein Verschwörer; in den Augen spiegelte sich das Licht der Sonne. »Möchten Sie wissen, was hier drin ist?«
Aaron zuckte mit den Achseln.
»Ich werd’s Ihnen sagen. Wissen Sie, was für Werkzeuge ein Dachdecker hat?«
»Ein Dachdecker?« »Einer, der auf dem Strohdach arbeitet. Seine Werkzeuge. Die hab ich hier, in diesem Beutel. Ein Schabeisen und ein Klopfbrett und geteerte Schnur, und was ich außerdem weiß, auch ein Becher ist da drin, mehr ein Kelch, aus purem Zinn, zum Trinken. Der ist da auch drin.«
»Darf ich mal sehen?«
Er tätschelte den Beutel. »Nicht nötig. Hab’s Ihnen ja erzählt.«
»Ach so.« Aaron kratzte sich am Schlüsselbein, denn das galt als typische Bewegung für einen, der nicht verstand, worum es ging, und genau den Eindruck wollte er machen, unfähig nachzuvollziehen, wovon der Mann sprach.
»Vielleicht brauchen Sie Hilfe, um da herauszukommen?«
»Das wäre ja zum Lachen, wenn ein Mann wie ich nicht allein aus so einem Loch herauskäme!« Sweeney stützte sich auf Arme und Hände, sprang seitlich in die Höhe, und ehe sich Aaron versah, stand er oben. Mit einer Hand nahm er den Beutel, mit der anderen klopfte er sich die Hosen ab. »Ich geh jetzt heim zu meinen Kühen, aber wenn man ihn hier der Erde zurückgibt, komm ich wieder. Muss sehen, dass er gut verwahrt ist. Tiefer, sagen Sie es ihnen, viel tiefer. Und geben Sie das hier Ihrer Tante und sagen Sie ihr, dass ich gut verstehe, warum sie nicht herauskommen und ein,zwei Worte reden konnte, und Lolly McKeever auch nicht.« Er machte eine Pause und fügte dann hinzu: »Sie wissen natürlich, dass sie ihn ermordet hat.«
»Wer? Und wen?«
»Declan Tovey.«
»Sie haben gesagt ›sie‹ und ›ermordet‹.«
»Wer denn sonst als ›sie‹?«
»Wer ist ›sie‹?«
»Muss ich ihren Namen nennen?«
»Sie meinen Lolly McKeever.«
»Nein, die nicht. Die andere.«
»Sprechen Sie von meiner Tante?«
»Sie dürfen nicht schlecht von ihr denken. Sie hatte guten Grund.«
»Sie sagt, Lolly war’s.«
»Natürlich sagt sie das. Aber es war Ihre eigene Tante, die es getan hat. Sie müssen sich schon mit der Wahrheit abfinden.«
»Ich glaube nicht, dass ich das tun werde.«
»Natürlich werden Sie das nicht tun. Weil Sie keine Ahnung haben, was die Frau durchgemacht hat mit diesem Schurken, die ganze Nacht und den ganzen Tag und all die Zeit dazwischen. Hat sich ihr aufgedrängt, sie belästigt mit seinen Anzüglichkeiten. Hat alles Mögliche für sie erledigt, alles, was ein Mann nur tun kann, und immer darauf gewartet, wann er endlich loslegen kann.
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