Das Schwein war’s: Kriminalroman (German Edition)
zu retten. Bitte. Versuchen Sie es noch einmal. Dieses Mal werde ich zusehen, immer nur zusehen. Vielleicht verliert er auch diesmal sein Kanu nicht, und er schafft es zum Ufer. Aber Sie, Sie müssen untergehen und dort bleiben, wo Sie hingehören. Niemand darf Sie holen kommen. Niemand darf Sie retten. Bitte. Ich verspreche beim guten und heiligen Namen meiner Familie, ich werde mich nicht rühren. Meinen Verstand werde ich mit den überlieferten Vorstellungen nähren, meinem Körper befehlen, stehen zu bleiben, wo er steht. Sie werden ertrinken – Sie werden ertrinken! Und ich werde stehen und zusehen! Und ich werde der sein, der gerettet wird. Sehen Sie? Sehen Sie dort? Er ist ohne Paddel. Er treibt. Retten Sie ihn. Retten Sie ihn. Und retten Sie auch mich. Sie werden das doch tun, ja?« Sweeney war dichter an ihn herangekommen, das Flehen in seinen Augen wollte in Tränen übergehen. »Ich habe Sie gerettet«, flüsterte er. »Jetzt müssen Sie mich retten.«
»Warum sagen Sie ihr nicht einfach, dass Sie sie lieben?«
Sweeney holte tief Luft und grinste höhnisch. »Natürlichwerden Sie mich nicht retten. Sie sind ein McCloud. Ein McCloud hat noch nie jemanden gerettet. Ich hätte es besser wissen müssen und Sie nicht bitten sollen.«
»Vielleicht empfindet sie genauso wie Sie.«
Das Grinsen wich von seinem Gesicht, der Kiefer wurde lockerer, der Mund stand offen. Im nächsten Moment verkrampfte sich wieder alles, der Blick verriet Empörung und Abscheu. Gleich würde Sweeney ihn anspucken, dachte Aaron. Doch Sweeney drehte sich nur um und trottete mit schwerem Schritt, mehr marschierend als spazierend, Richtung Norden.
»Ihre Sachen!«, rief Aaron. »Sie haben Ihre Sachen vergessen!« Sweeney kam zurück. Er bückte sich und sammelte Hosen und Hemd, Schuhe und Socken und Unterhosen ein und drückte sie als Bündel an die Brust. Ohne Aaron anzusehen erklärte er: »Sagen Sie Ihrer Tante, sie hat die Chance verwirkt, den Toten anständig zu begraben. Noch ehe der Tag zu Ende geht, komme ich vorbei und hole den Mann fort. Es ist das Beste, wenn sie ihn loswird. Und sagen Sie ihr noch einmal, ihr Geheimnis ist bei mir sicher aufgehoben. Sie hat getan, was sie tun musste, selbst Kieran Sweeney nimmt ihr das nicht übel. Aber warnen Sie sie – ich komme und nehme Declan Tovey mit.« Er wandte sich wieder gen Norden und nahm erneut seinen entschlossenen Marsch auf. Aaron blickte ihm nach und sah, dass sich ein Schuh aus dem Bündel löste.
»Ihr Schuh!«, rief Aaron.
Sweeney blieb stehen, verharrte einen Augenblick und ging dann weiter.
»Sie liebt Sie!«, schrie er ihm hinterher.
Sweeney ging unbeirrt weiter, das Gekreische der Möwen über sich, begleitet von den sich aufbäumenden Wellen und den ans Ufer peitschenden Brechern. Aaron wollte schon den Schuh aufheben, um ihn ihm später zu geben – schließlich hatte er ihm das Leben gerettet –, aber vielleicht kamSweeney zurück und holte ihn sich, wenn ihn keiner dabei beobachtete, dass er ihn doch wollte. So machte auch Aaron kehrt und strebte heimwärts nach Süden.
Erst da ging ihm auf, dass auch er fast nackend war. Er lief zurück, nahm seine Sachen und zog sie an, bis auf die eine Socke und die Sandalen. Die gab es nicht mehr. Der Wind verfing sich in dem offenen Hemd, die Knöpfe waren abgerissen, und so konnte es ungestört flattern. Kurz bevor der Uferweg im Bogen um die Klippen führte, warf er einen letzten Blick zurück. Sweeneys Schuh lag immer noch dort, aber Sweeney war nirgends zu sehen.
Kapitel 7
Kitty und Aaron und Lolly hatten sich wieder in der Priesterstube zusammengetan und betrachteten – gleich Angehörigen am Krankenbett – mit ernstem Gesicht den dahingestreckt liegenden Declan Tovey. Declan selbst schien es nicht weiter geschadet zu haben, dass man ihn fast vierundzwanzig Stunden allein gelassen hatte; vielleicht war sein Grinsen etwas weniger unverschämt, etwas verhaltener, als Aaron es in Erinnerung hatte. Wie ein Patient, der von Leuten umringt wird, die ohne Rücksicht auf dessen Beisein sein Schicksal erörtern und nur mit ihren sachlichen Schlussfolgerungen beschäftigt sind, schien sich Declan völlig in sich zurückgezogen zu haben und von den Dringlichkeiten und Befindlichkeiten, die keinen halben Meter von ihm entfernt diskutiert wurden, unberührt zu bleiben.
Lolly war schon im Haus gewesen, als Aaron von seinem Tauchgang zurückkam, wieder mal nass, wieder mal kalt, wenngleich er das Zähneklappern und
Weitere Kostenlose Bücher