Das Schwein war’s: Kriminalroman (German Edition)
Zittern heute entschieden besser unter Kontrolle hatte als tags zuvor. Eigentlich hatte er etwas über den Abend im Dockery’s Pub erzählen wollen, gedachte dabei nicht unbedingt mit seinem Sieg zu beginnen oder dem Declan-Ersatz, der sie begleitet hatte, sondern hatte sich wegen seines betrunkenen Zustands entschuldigen wollen. Nicht, dass er wegen der Trinkerei ein schlechtes Gewissen hatte, aber es wäre ein sich geziemender und möglicher Einstieg gewesen, um über den Verlauf eines Abends zu berichten, der etliche Fragen aufgeworfen hatte, die einer Antwort bedurften. Wer war der Mann? Wieso hatte Lolly ihn, Aaron, nicht gesehen? Hatte sie ihn gesehen und geflissentlich übersehen? Hatte sie vergessen, dass man sich noch nachmittags inGegenwart der anwesenden Leiche begegnet war? Vielleicht konnte sie ihn nicht erkennen, weil er da nicht so triefend nass war wie jetzt, nachdem er beinahe ertrunken war? All das hatte er für äußerst wichtige Themen gehalten, hätte vorrangige Behandlung verdient im Vergleich zu Überlegungen, was mit dem vor ihnen liegenden Skelett geschehen sollte, oder zu der Lösung der Frage, wer nun der Mörder war. Doch als Lolly durch die Küchentür kam und Aaron sah, hatte sie nur lakonisch festgestellt: »Du warst ja schon wieder schwimmen. Du wirst dir noch den Tod holen«, war an Kitty, die an ihrem Computer saß, vorbeigerauscht und mit erhobener Nähnadel, durch die ein derber schwarzer Faden gefädelt war, in die Priesterstube gestürmt. Kitty und Aaron waren ihr gefolgt. Da war Lolly bereits emsig beschäftigt und nähte den vom Jackett des Toten abgegangenen Knopf an; ihre Hände bewegten sich geschickt und flink und verstanden sich auf häusliche Tätigkeiten besser, als Aaron für möglich gehalten hatte.
»Sagen Sie Kieran Sweeney«, hatte sie gemeint, »sagen Sie ihm, der Knopf ist wieder angenäht, und er kann sich seine kritischen Bemerkungen darüber, wie Dinge erledigt werden, sparen.«
Daraufhin hatte Aaron – ohne dass seine Fragen überhaupt zur Sprache gekommen waren – entschieden, die wundersamen Erlebnisse, die er gerade gehabt hatte, der Reihe nach zu erzählen. Aber er bekam den genauen Ablauf der Geschehnisse nicht mehr hin, sein Beinahe-Ertrinken nach seinem Versuch, Lollys Freund zu retten, oder seine Erkenntnis, dass Sweeney der Mörder war, gestern erst der Tat überführt durch die Einzelheiten, die er in seiner Anschuldigung von Kitty zu berichten wusste. Oder war es Sweeneys hoffnungslose Liebe zu Kitty? Oder – und das hatte er schon vergessen – seine Rettung durch Sweeney und das verzweifelte Bedauern des Mannes, einen McCloud gerettet zu haben. Unfähig, die Ereignisse auseinanderzuklamüsern,war er mit dem herausgeplatzt, was er für das Dringlichste hielt. »Kieran Sweeney liebt dich.«
Beiden Frauen stockte der Atem. Auch diesmal war es Lolly, die als Erste die Sprache wiederfand. »Mich?«, rief sie.
»Nein«, sagte Aaron. »Dich, Kitty.«
»Mich?!« Sie fuhr sich mit der Hand an die Kehle.
»Dich.«
»Sie?«, fragte Lolly, weniger, weil sie es nicht glauben wollte, sondern mehr, weil es sie – zu Recht – überraschte, dass nicht sie die Auserwählte war.
»Sie«, sagte Aaron.
»Der Mann ist bekloppt. Und ein Sweeney obendrein«, sagte Kitty. »Du bildest dir wieder Dinge ein.«
»Nein. Tue ich nicht. Ich schwör’s.«
»Hat er es mit eigenen Worten gesagt?«
»Es war deutlich genug, auch ohne die eigentlichen Worte.«
»Ich will nichts davon hören.« Kitty schüttelte sich, entweder um sich der Annäherungsversuche eines so widerlichen Menschen zu erwehren oder aber, was wahrscheinlicher war, um ein Kichern im Keim zu ersticken. »Er hasst mich ebenso sehr wie ich ihn. Falls das überhaupt möglich ist.«
Das Gesicht seiner Tante ließ keinerlei Regung erkennen, sie trug eine unverbindliche und nichtssagende Miene zur Schau, als posierte sie für ein Passfoto. Sie forderte Aaron damit auf, zur Kenntnis zu nehmen, wie gleichgültig ihr die Sache war. Er kam der stummen Aufforderung nach und blickte zu Boden.
»Er hat mir das Leben gerettet«, bekannte Aaron.
»Er hat dir nicht das Leben gerettet.«
»Er hat mir das Leben gerettet. Ich war am Ertrinken.« »Wieso warst du am Ertrinken?«
»Ich habe versucht, einen Freund von Lolly zu retten.« Lolly hatte den Knopf, den sie ans Jackett genäht hatte,zum Mund hochgezogen und den Faden, den sie abbeißen wollte, schon zwischen den Zähnen. Hielt aber inne, um sich erst
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